Sonntag, 22. Mai 2011

Chapter 16

Kristins Mund öffnete sich, aber sie schaffte es nicht, etwas zu sagen. Natürlich, sie waren Freunde, seitdem sie denken konnten. Aber er hatte sie noch nie gefragt, ob sie mit ihm essen gehen würde. „Aber... aber... das geht nicht.“
„Warum nicht? Hast du nicht gerade gesagt, dass du nichts gegen meine Gesellschaft hast?“ hakte er nach.
„Ja schon, aber du bist der Prinz und ich... ein Halbblut. Und noch menschlich.“
Brahve schüttelte den Kopf. „Erstens... tue ich ohnehin nie das, was man von mir als Prinz erwartet und der Titel bedeutet mir nichts. Und zweitens, denk nie, dass du meiner nicht würdig bist. Das entscheide ich immer noch selber und es interessiert mich herzlich wenig, was irgendwer anders dazu sagt. Außerdem, wir gehen einfach nur zusammen was essen.“
Seine Worte ließen ihr Herz ungewöhnlich schnell schlagen und sie wehrte sich nicht länger gegen den Wunsch ja zu sagen. „Ja, ich würde gerne mit gehen.“ sagte sie ehrlich.
Wieder lag dieses leichte Lächeln auf seinen Lippen, an das sie sich nur zu gerne gewöhnen könnte. „Dann sehen wir uns heute Abend. Um 20Uhr. Ich verschwinde jetzt in meinem Bett. Bleib nicht zu lange wach.“ zwinkerte er ihr zu und lief dann auch schon die Treppe nach oben, während Kristin ihm noch nach sah, als er schon längst nicht mehr zu sehen war.

Am nächsten Abend stand Kristin eine gefühlte Ewigkeit vor ihrem Kleiderschrank, fragte sich, was sie anziehen sollte. Immer wieder sagte sie sich, dass sie sich gar nicht so große Gedanken machen sollte, nicht so viel Aufwand darum betreiben sollte. Sie ging nur in die Stadt. Mit einem Freund etwas essen. Einem Freund, den sie eigentlich wie ihren Bruder betrachten sollten. Mit Brahve. Und spätestens an der Stelle brach alles in sich zusammen, was sie sich zu vor wie ein Mantra immer wieder aufgesagt hatte, um sich selber etwas zu beruhigen. Mit Brahve. Das änderte alles. Sie wollte hübsch für ihn aussehen, wollte ihn wieder sagen hören, dass er sie hübsch fand. Sie brauchte das, um sich besser zu fühlen.
Im Endeffekt zog sie eine Jeans aus dem Schrank und eine helle Bluse, die ihre Figur recht stark betonte. Es waren zwar keine besonders feinen Sachen, aber sie wollte auch nichts anziehen, in dem sie sich nicht wohl fühlte, nicht mehr wie sie selber fühlen. Sie zog Stiefel mit Absätzen an und als letztes legte sie die Kette mit dem Stein um, die Brahve ihr geschenkt hatte. Die Kette, die sie von Mary bekommen hatte, trug sie ohnehin jetzt immer.
Ihre Haare bekam sie längst nicht so hin, wie Nalla es geschafft hatte, aber sie wollte sie nicht fragen, ob sie ihr dabei helfen konnte. Sie wollte ihr einfach nicht erklären müssen, warum sie sich so zurecht machte. Überhaupt hatte sie niemandem erzählt, was sie heute vor hatte. Ihre Eltern wussten lediglich, dass sie in der Stadt sein würden, nahmen an, dass sie sich mit einer der jungen Vampirinnen traf mit denen sie zur Schule gegangen war. Sie hatte sie nicht aufgeklärt, dass sie mit Brahve weggehen würde, wusste auch nicht so genau, wie sie darauf reagiert hätten. Sie wusste, dass sie damit die Regeln brach, denn für alle Kinder galt, dass sie immer sagen mussten, wo sie hingingen und mit wem. Die Brüder waren sich einfach zu sehr bewusst, dass ihr Nachwuchs zu ihren schwachen Stellen gehörte.
Kristin war das in diesem Fall egal. Es schien ihr alles wert zu sein, wenn sie denn nur mit Brahve weg gehen würde.
Einigermaßen zufrieden mit sich selber, verließ sie schließlich ihr Zimmer und wartete unten auf Brahve, hoffte, dass sie jetzt nicht noch auf jemanden treffen würde, der Fragen stellen würde. Neugier war etwas, was offenbar alle in ihrer Familie gemeinsam hatten.

Sie sah auf, als sie hörte, wie jemand die Treppe runter kam und atmete auf, als sie feststellte, dass es Brahve war. Und stellte ihm nächsten Moment fest, wie gut er heute aussah. Er trug eine lässig wirkende Jeans und dazu ein schwarzes Hemd. Seine dunklen, fast schwarzen Haare, die lang waren – wenn auch nicht ganz so lang wie die seines Vaters, fielen ihm locker auf die Schultern und Kristin konnte an nichts anderes denken, wie es sich wohl anfühlen würde, mit ihrer Hand über die Haare in seinem Nacken zu streicheln, ihre Hand in diesen Haaren zu vergraben.
Sie schluckte schwer, als sie sah, dass er lächelte, als er am Ende der Treppe angekommen war. „Bin ich zu spät?“ wollte er wissen.
„Nein, ich bin auch gerade erst angekommen.“
Brahve streckte ihr seine Hand entgegen. „Dann können wir ja los. Du siehst im Übrigen unglaublich aus.“ sagte er, seine Stimme tief und dunkel, so dass sie spürte, wie ein kleiner Schauer über ihren Körper wanderte, als er sprach.
„Danke.“ Kristin griff nach seiner Hand. Diesmal trug sie keine Stulpen. Es waren nur ihre Finger und seine Finger, die sich miteinander verschlangen und dieser kleine Körperkontakt genügte schon, dass sie glaubte, sie würde glühen.
Brahve war ebenfalls hin und weg von dieser Sensation, Haut an Haut spüren zu können und er wusste jetzt schon, dass er nicht so schnell bereit wäre, wieder auf dieses Gefühl zu verzichten.
Zusammen verließen sie das Anwesen, begegneten glücklicherweise niemandem auf dem Weg zur Garage, wo Brahve eines seiner beiden Autos ansteuerte – ein schwarzer, sportlicher BMW mit getönten Scheiben.
Er hielt ihr die Tür auf und ließ nur widerwillig ihre Hand los. „Darf ich bitten?“ grinste er breit, bevor sie einstieg, er das Auto umrundete und ebenfalls einstieg um loszufahren.
Brahve schaltete eine CD an, recht laute Rapmusik und grinste noch immer leicht, als er die Musik ein wenig leiser stellte. „Irgendeinen Wunsch, wo es hingehen soll?“ fragte er Kristin.
„Nein. Ich war schon so lange nicht mehr in der Stadt, dass ich gar nicht wirklich weiß, wo es mir da gefallen würde.“ gab sie zu.
„Okay, also worauf hast du Hunger?“
Eigentlich war es Kristin ganz egal, was sie essen gehen würden, hauptsache sie würde mit ihm zusammen dort hingehen. Dennoch dachte sie über seine Frage nach. „Wie wäre es mit Chinesisch?“
Brahve schien kurz zu überlegen, ob er einen Chinesen kannte, nickte aber dann. „Kein Problem. Chinesisch kannst du bekommen.“ sagte er und lenkte dann seinen Wagen zielsicher Richtung Stadt.

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