Samstag, 29. Januar 2011

Chapter 8

„Brahve! Schön, dass du doch auch gekommen bist!“
Erleichtert atmete Brahve auf, als er die einzige Stimme hörte, die er jetzt ertragen konnte, als er sich ins Anwesen geschlichen hatte. Er drehte sich um und beugte sich zu seiner Mutter um ihr einen sanften Kuss auf die Wange zu geben zur Begrüßung. Diese zärtliche Geste stand im Gegesatz zu der Kraft, die er ausstrahlte, aber er konnte wirklich zärtlich sein zu denjenigen, die er liebte.
„Jetzt nicht Mom, ja? Später. Ich muss erstmal dringend was erledigen. Hast du Kristin gesehen?“ wollte er wissen.
Beth schenkte ihrem Sohn ein sanftes Lächeln. „Als ich sie zuletzt gesehen habe, ist sie mit Nalla zu ein paar anderen jungen Vampirinnen gegangen.“
„Danke Mom. Ich geh sie suchen.“ sagte Brahve und lief dann auch gleich ins Wohnzimmer, ignorierte die überraschten Blicke, die ihm einige Bewohner des Anwesens zu warfen, ihn hier zu sehen. Er hatte nur Augen für Kristin, musste sie unbedingt finden, bevor er sich mit irgendetwas oder irgendwem anders auseinandersetzte.
Weder Kristin noch Nalla konnte er entdecken. Bei Nalla wunderte er sich nicht wirklich darüber, denn er wusste, dass seine Freundin jede Gelegenheit nutzte um mit Rhock irgendwohin zu verschwinden, wo ihr Vater sie nicht beim Küssen erwischen konnte. Nicht, dass ihn das störte. Er freute sich für Nalla und hielt Rhock für einen recht netten Kerl, auch wenn er selber nicht wirklich viel mit ihm zu tun hatte.
Nachdem er sich ein wenig umgesehen hatte, steuerte Brahve auf Stahr und Shadhow zu, die einzigen beiden jungen Vampirinnen, die er noch entdeckten konnten. „Hey. Habt ihr vielleicht Kristin gesehen?“ fragte er sofort nach, legte keinerlei Wert darauf, ein Gespräch mit den Beiden zu beginnen.
Stahr und Shadhow tauschten einen kurzen Blick aus und begannen dann beide zu kichern. „Nein. Ist das wichtig?“ fragte Stahr lächelnd.
„Sonst würde ich nicht danach fragen.“ zischte Brahve. „Es ist IHR Geburtstag.“ betonte er, bereits jetzt leicht genervt von den Beiden.
„Das spielt aber doch keine Rolle, hm? Ich meine, wichtig ist doch nur, es ist eine Party, wir sind hier, du bist hier.“ Shadhows Ton legte Nahe, dass da noch viel mehr kommen würde, wenn er jetzt darauf eingehen würde.
Brahve verdrehte die Augen. Er hatte sich bereits genug die Hörner abgestossen und er musste zu geben, dass die Frauen, die sich ihm so offensichtlich an den Hals schmissen, längst langweilten und dass sie mit ihrem Verhalten eher genau das Gegenteil von dem erreichten, was sie damit eigentlich bezweckten. „Es ist aber rein zufällig Kristins Party.“ gab er zurück.
„Was willst du denn mit diesem kleinen Halbblut?“ fragte Stahr.
Das war der Moment, an dem Brahve jegliche Geduld verlor und sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Er war nun der ungezähmte, unberechenbare, furchterregende und unglaublich starke Krieger, der er in seinem Inneren war, den er allerdings nur sehr selten so zeigte und dessen er sich auch gar nicht wirklich bewusst war.
„Wisst ihr was, eigentlich hasse ich es ja, so was zu tun, aber in deisem Fall... Technisch gesehen ist das hier mein Haus...“
„Das deines Vaters.“ unterbrach Stahr ihn, schien noch nicht wirklich bemerkt zu haben, dass Brahve alles andere als zu Scherzen aufgelegt war.
„Mein Vater steht in allen Entscheidungen, die ich mache, hinter mir.“ gab Brahve eiskalt zurück. Die Übertreibung des Jahrhunderts. Wobei er wusste, dass Wrath in dem Fall sich ganz sicher nicht gegen ihn stellen würde. „Ich bin der Prinz und ich kann hier über alles entscheiden. Und deswegen werdet ihr beiden jetzt geht.“ sagte er, seine Stimme noch immer eiskalt, auf seinem Gesicht keinerlei Emotionen zu lesen. „Und das ist keine nett gemeinte Bitte.“ fügte er noch hinzu.
Stahr und Shadhow starrten ihn erschrocken an, schienen aber gemerkt zu haben, dass es besser war jetzt nicht mit ihm zu diskutieren und zogen sich wortlos zurück.
Erleichtert atmete Brahve aus. Dieses Problem hatte er gelöst, aber jetzt musste er noch immer unbedingt Kristin finden...

Mittwoch, 26. Januar 2011

Chapter 7

Lässig saß Brahve in dem bequemen Sessel, seinem Stammplatz im „Dungeon“, um ihn herum saßen seine beiden engsten Freunde, mit denen er eigentlich jeden Tag hier her kam. Es langweilte ihn zwar mittlerweile längst, immer wieder hier zu sitzen, einen Drink nach dem anderen zu leeren, manchmal etwas zu rauchen, aber in seinen Augen war es weit besser, als sich mit seinem Training auseinander zu setzen, mit seinem Vater oder mit seiner Rolle in seiner Rasse, von der er nicht wirklich etwas wissen wollte. Brahve hielt sich einfach noch für viel zu jung, wollte erstmal seinen Spaß haben, sich austoben. Verantwortung übernehmen war für ihn ein Fremdwort.
Er war nicht dumm, wusste, dass er im Trainingsprogramm überhaupt nur noch geduldet wurde, weil er der Sohn des Königs war. Jeder andere wäre schon rausgeschmissen worden, aber es spielte für ihn keine Rolle. Er war ohnehin so gut wie nie da und wenn er da war, provozierte er seine Lehrer, die Anderen aus dem Programm, alles und jeden. Es war ihm alles recht, wenn er nur nicht das tat, was jeder von ihm erwartete, wozu er aber eben so überhaupt keine Lust hatte.
Die Einzige, die ihm leid tat, war seine Mutter. Beth war eine wundervolle Frau und Brahve bewunderte und verehrte sie mehr alles andere. Unzählige Male hatte sie bereits zwischen ihm und seinem Vater vermitteln müssen und nur seiner Mutter zu Liebe lenkte Brahve hin und wieder ein, wenn sein Vater ihn um etwas bat, ging hin und wieder zu Veranstaltungen der Glymera obwohl er diese verachtete und achtete auch ein wenig darauf, dass er wenigstens nicht alleine in Clubs ging, weil er wusste, wie sehr Beth seine Sicherheit am Herzen lag. Obwohl er es hasste, dass er immer mindestens einen Babysitter an der Seite hatte.
Shoul hielt ihm grinsend eine der selbstgedrehten Zigaretten hin, von denen Brahve wusste, dass sie einem das Gehirn vernebelten, die er hin und wieder aber auch ganz gerne mal rauchte. „Wie siehts aus? Bist du dabei?“
Langsam schüttelte Brahve den Kopf. Heute war es irgendwie alles etwas anderes. Wo er sich hier normalerweise wie zu Hause fühlte, so fragte er sich heute doch, wie er so einen dunklen Club als sein zu Hause ansehen konnte. Heute erschien ihm dieser Ort hier nicht der zu sein, an dem er sein sollte. Nur, dass ihm noch nicht so ganz klar war, wieso das so war.
„Willst du dann noch einen Drink?“ fragte Shoul und stand auch schon auf um eine Bestellung abzugeben.
„Nein auch nicht.“
„Was ist denn heute mit dir los, Mann?“ Eine Hand traf ihn hart am Rücken, als sein Freund ihm dagegen schlug. „Ärger mit Frauen?“
Brahve zog eine Augenbraue leicht hoch. „Ich habe nie Ärger mit Frauen und das weißt du auch. Sie interessieren mich nie lange genug als dass ich mich überhaupt drüber ärgern könnte.“ antwortete er und verdrehte dann leicht die Augen. „Nein, ich glaube... ich muss heute mal nach Hause.“
„Was? Okay, dann bist du vermutlich krank. Wie oft hast du schon bei mir gepennt, weil du keinen Bock hattest, deinem Alten zu erklären, warum du schon wieder die ganze Zeit nicht da warst, woher du so spät kommst... ob dir jemand die Windeln gewechselt hat oder dir dein Fläschen warm gemacht hat und...“
„Halt die Klappe!“ unterbrach Brahve ihn hart und Shoul verstummte sofort. Brahve legte zwar keinerlei Wert darauf so etwas zu hören, aber er strahlte so viel Respekt aus, war ein geborener Herrscher und niemand wagte es ihm zu widersprechen, wenn er so hart klang wie jetzt in diesem Moment. „Diesmal ist es etwas ganz anderes. Es ist wichtig, dass ich da bin und es geht nicht um meine Eltern.“
Mehr konnte und wollte er an der Stelle nicht dazu sagen, wartete auch gar nicht erst, ob Shoul oder Jhustice noch etwas dazu sagen würde und sprang auch schon auf. Hektisch warf er einen Blick auf seine Uhr und fluchte leise vor sich hin, ärgerte sich über sich selber, dass er sich wie immer von seinem übergroßen Wunsch nach Rebellion und Unabhängigkeit hatte leiten lassen und überhaupt heute erst hier her gekommen war.
Verdammt, er würde zu spät kommen. Sogar viel zu spät...

Montag, 24. Januar 2011

Chapter 6

Beide Frauen hatten Tränen in den Augen und Rhage wartete einen Moment bevor er seine Tochter seinerseits fest in die Arme schloß um ihr zu gratulieren.
Nachdem sie diesen Moment mit ihrem Vater in vollen Zügen genossen hatte, war es nun an der Reihe ihrer Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen ihr zu gratulieren. Phury und Cormia hatten außer Aghony noch ein Zwillingspärchen, das etwa zehn Jahre jünger war als Kristin. Butch und Marissa hatten ebenfalls einen Sohn im Teenageralter. Vishous und Jane war das einzige Paar, das bisher noch kein Kind hatte.
Nur mit Not unterdrückte sie bei Wrath und Beth die Frage danach, ob sie wussten, wo Brahve war und ob er noch kommen würde. Stattdessen lief sie nun im Kreis ihrer Familie ins Wohnzimmer, wo einige anderen jungen Vampire und Vampirinnen versammelt waren. Die Doggen hatten ein riesiges Festessen vorbereitet und alles festlich geschmückt.
Kristin nahm mehr oder weniger abwesend die Glückwünsche ihrer anderen Gäste entgegen. Auch hier war Brahve nirgends zu finden und das traf sie noch weit mehr als erwartet. Immer, wenn sie sich so fühlte, als würde sie nicht richtig dazu gehören, war er seltsamerweise der einzige, der ihr das Gefühl gab, dass sie sich nahe standen. Ein Gefühl, dass sie manchmal noch nicht mal bei ihren Eltern so empfand.
So wirklich die Gelegenheit weiter darüber nachzudenken, bekam sie jetzt allerdings erstmal nicht mehr. Festessen verliefen in diesem Haus immer sehr laut und fröhlich, so dass sie viel mit lachte und sich jetzt wirklich richtig wohl fühlte, stand sie doch in diesem Fall im Mittelpunkt dieses Essens.
Später zerstreute sich das ganze etwas, die jüngeren Kinder spielten zusammen, die Brüder unterhielten sich untereinander und Kristin schloß sich zusammen mit Nalla und deren Freund Rhock der Jugend an.
Nalla versuchte ihr Bestes, um Kristin in alles mit einzubeziehen, weil sie immerhin die Einzige war, die ihre Transition noch nicht hinter sich gebracht hatte. Zwei der jungen Vampirinnen, Stahr und Shadhow hatten ihre erst vor Kurzem durch gestanden und kannten zur Zeit kaum noch ein anderes Thema, kicherten immer wieder, wenn sie sich daran erinnerten.
„Immerhin bin ich jetzt 21, also wird es bei mir ja wohl auch nicht mehr so wirklich lange dauern.“ gab Kristin zu bedenken und schluckte als sie den abwertenden Blick bemerkte, den die beiden Anderen ihr daraufhin zu werfen.
„Bei dir ist es doch noch überhaupt nicht sicher, ob du überhaupt jemals zum Vampir wirst.“ zischte Shadhow.
„Wovon redest du?“ fragte Nalla scharf zurück, während Kristin neben ihr sofort um einiges blasser wurde.
„Als wenn du das nicht wüsstest. Wir wissen es doch alle. Ihre Mutter ist doch nur ein schwacher Mensch. Niemand weiß, ob ihre Vampirgene stark genug sind, damit die Transition überhaupt einsetzt. Sieh es ein, Nalla, auch wenn sie jetzt 21 ist, Kristin ist keine von uns und wird es nie sein.“
Stahr nickte zu den Ausführungen ihrer Freundin. „Genau so ist es. Du gehörst hier nicht her. Ich versteh nicht mal, warum sie dir so eine Feier machen. Vielleicht als Trost dafür, dass sie auch wissen, dass du ein sterbliches, dreckiges Halbblut bist.“
Schon als Shadhow ziemlich abwertend darüber gesprochen hatte, dass Mary ein Mensch war, hatte Kristin das Gefühl gehabt, man würde auf ihrem Herz rumtrampeln. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, wünschte sich, sie hätte wenigstens die Stärke von Nalla, die sich gegen so etwas sicher sofort zur Wehr setzen würde, aber sie blieb stumm. Bei den Worten sterbliches, dreckiges Halbblut jedoch riss etwas in ihrem Inneren. Die Wunde, die stets da gewesen war, ausgelöst von dem Gedanken, dass sie sich manchmal so fühlte als gehörte sie nicht dazu, riss jetzt vollkommen auf, traf sie mit einer Wucht, die ihr den Atem nahm. Sie presste eine Hand vor den Mund, schüttelte nur den Kopf und schaffte es wenigstens noch aus dem Raum zu rennen, aus dem Haus zu rennen und wenigstens den anderen nicht die Genugtuung zu geben, vor ihren Augen völlig in sich zusammen zu brechen. Denn das war das, was sie tat, sobald sie alleine war. Irgendwo draußen in der Kälte auf dem Gelände des Anwesens sank sie schluchzend in sich zusammen.

Sonntag, 23. Januar 2011

Chapter 5

„Ich muss sagen, ich bewundere dich, dass du so sehr an ihn glaubst. Ich hoffe, du behälst recht. Es wäre schade, wenn er nicht dabei wäre.“ antwortete Nalla ehrlich. Sie selber jedoch glaubte nicht so fest daran, dass Brahve heute da sein würde wie ihre Freundin, aber sie wollte ihr die Hoffnungen nicht nehmen. Immerhin sollte es ein schöner Tag für Kristin werden. „Deine Haare sind fertig. Was sagst du dazu?“ Sie hielt ihr einen kleinen Spiegel entgegen, damit sie sich ansehen konnte, wie die Frisur geworden war.
„Wow.“ Der überraschte Gesichtsausdruck von Kristin brachte Nalla zum Lachen.
„Was ist? So gut oder so schlecht?“
„Das... das sieht... also ich... sehe irgendwie hübsch aus.“
„Und das überrascht dich? Du bist doch hübsch!“ sagte Nalla ernst.
Kristin nickte und schenkte ihr ein Lächeln. „Ja, Danke für deine Hilfe.“ Nur, dass sonst offenbar niemand wirklich zu bemerken schien, dass sie hübsch war. Und im Vergleich zu den anderen Vampirinnen kam sie sich nun mal immer wie eine graue Maus vor. Und sonst... alle hier auf dem Anwesen sahen in ihr höchstens die kleine oder große Schwester.
„Gehst du dann schon mal runter? Ich komme gleich.“
„Klar. Alle warten schon auf dich.“ lachte Nalla, umarmte Kristin kurz und verließ dann das Zimmer um nach unten in die große Halle zu gehen.
Eine Weile starrte Kristin ihr Spiegelbild unverwandt an, spielte mit den lockigen Spitzen ihrer Haare. Seltsamerweise hatte sie das Gefühl, die Frau in dem Spiegel überhaupt nicht zu kennen, hatte fast Angst sich in diesem Bild zu verlieren und sich selber nicht mehr wieder zu finden. Sie schüttelte diese Gedanken so gut es ging ab, fragte sich, woher sie überhaupt kamen. Sie hatte heute Geburtstag, sollte diesen Tag nicht an dunkle Gedanken verschwenden, die sie ohnehin fast jedesmal dann einholten, wenn sie ins Bett ging und zu schlafen. Auch da fühlte sie sich wie eine Fremde in ihrem eigenen Zimmer, wie als hätte sie nie hier hin gehört, obwohl das hier ihr zu Hause war, ihre Familie.
Nach einigen Minuten fühlte Kristin sich endlich soweit um ihr Zimmer zu verlassen. Es war ja nicht so, dass sie sich nicht auf ihre Feier freute.
Sie lächelte schließlich auch, als sie langsam die Treppe nach unten lief, an deren Ende ihre Eltern sie bereits erwarteten. Dahinter standen alle Brüder mit ihren Shellans und deren Kinder, die sie als ihre Brüder und Schwestern ansah. Obwohl sie sie alle liebte, obwohl es sie freute, dass sie diesen Moment gerade mit ihr teilten, suchten ihre Augen unruhig nach einem vertrauten Gesicht. Mühsam verbarg sie, dass ihre Beine leicht zitterten bei jedem Schritt, den sie die Treppe weiter nach unten ging und bei dem sie sich eingestehen musste, dass er nicht hier war. Und das, wo sie so fest daran geglaubt hatte. Der Platz neben Wrath und Beth jedoch war... leer.
Die Anderen, die nicht zur Familie gehörten, aber an der Feier teilnehmen würden, waren bereits im Wohnzimmer und irgendwie gelang es ihr, sich einzureden, dass Brahve ja vielleicht auch dort war. Bei den anderen aus dem Trainingszentrum.
Als Kristin die letzte Stufe genommen hatte, trat Mary vor und zog ihre Tochter in eine warme Umarmung. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Schatz. Du kannst dir nicht vorstellen, wie stolz ich war, als meine Große die Treppe runter gekommen ist. Du siehst so hübsch aus.“ sagte sie. Ihre Wangen hatten einen warmen Glanz angenommen und ihre Augen strahlten, als sie sprach.
„Sehr hübsch sogar. Die schönste Tochter, die man haben kann.“ fügte Rhage mit stolz geschwellter Stimme hinzu, in seinen Augen das selbe Strahlen wie in denen von Mary.
„Ich habe auch noch ein Geschenk für dich. Es... ist etwas ganz besonderes.“ Marys Stimme klang voller Emotionen, als sie nun ein kleines Päckchen in den Händen hielt und ihrer Tochter dieses reichte. „Ich habe es von meiner Mutter bekommen, als ich so alt war, wie du jetzt und ich möchte, dass du es nun trägst.“
Rhage hatte einen Arm um die Hüften seiner Frau gelegt, wusste er doch, dass sie meistens von Traurigkeit überflutet wurde, wenn sie von ihrer Mutter sprach.
Jetzt zitterten Kristins Hände merklich als sie das Päckchen nahm und es öffnete. Einen Moment später hielt sie eine silberne Kette mit einem kleinen sternförnigen Anhänger zwischen ihren Fingern. Sie schluckte schwer und fiel ihrer Mutter dann um den Hals. „Danke, Mom. Das... das bedeutet mir so viel. Und ich werde es mit Stolz tragen.“

Freitag, 21. Januar 2011

Chapter 4

Caldwell, New York, Winter 2030

Verzweifelt versuchte Kristin ihre widerspenstigen, langen blonden Locken zu bändigen, aber es wollte ihr einfach nicht gelingen. Vermutlich lag es an der Aufregung. Schon so lange fieberte sie diesem Tag entgegen. Sie wusste nicht mal mehr seit wie langem schon. Aber sie glaubte fest daran, dass er etwas ganz besonderes werden würde. Und genau deswegen wollte sie heute besonders gut aussehen.
Sie drehte sich um, als es an der Tür klopfte und sich einen Moment später ein dunkelhaariger Kopf ins Zimmer schob.
Kristin und Nalla waren in ihrer Kindheit immer gut befreundet gewesen, hatten sehr viel Zeit miteinander verbracht, viel miteinander gespielt. Sie hatte sich immer wohl in der Gesellschaft ihrer Freundin gefühlt. Nur eine Person hatte ihr immer noch näher gestanden als die hübsche Vampirin – Brahve.
Erst, als die etwas Ältere Nalla vor zwei Jahren durch ihre Transition gegangen war, hatte sich ihr Verhältnis ein wenig verändert. Nalla war schon immer eine besondere Schönheit gewesen, aber seit der Transition hatte sich ihr Körper nur noch weiblicher entwickelt und sie war nahe zu perfekt. Kristin, die ihre Transition noch nicht hinter sich hatte, glaubte seitdem immer ein wenig im Schatten der älteren Vampirin zu stehen, glaubte bei den Themen über die sie sich mit den anderen Vampirinnen, die die Transition ebenfalls hinter sich hatten, unterhielt, nicht mit reden zu können. Und Nalla hatte in der Zwischenzeit nun auch einen Freund – ein junger hübscher Vampir, der im Trainingszentrum der Bruderschaft trainierte und wahrscheinlich irgendwann ein Bruder werden würde, der ihr durch die Transition geholfen hatte.
In diesem Moment jedoch war Kristin froh darüber, ihre Freundin zu sehen. „Ich hasse meine Haare.“ murmelte sie und sah hilflos zu Nalla.
Nalla trat richtig ins Zimmer und hinter Kristin, griff nach einer Bürste und einem Glätteisen. „Du bist so hübsch. Und dich beneiden alle um deine Haare. Aber ich helf dir, hm?“ bot sie an.
„Danke, das wäre echt toll.“ strahlte Kristin. „Ich weiß auch nicht, aber ich will heute einfach nur... gut aussehen.“
„Versteh ich.“ Nalla begann ihre Haare etwas zu glätten, ließ sie Spitzen aber gelockt. „Gibt es dafür einen bestimmten Grund?“ wollte sie wissen und beobachtete die Jüngere neugierig im Spiegel.
Kristins Wangen nahmen einen leichten Rotton an. Vielleicht gab es diesen Grund. Aber sie war noch nicht mal wirklich bereit dazu, sich das selber einzugestehen. Was hatte es auch schon für einen Sinn?
„Nein, nicht wirklich. Ich will einfach nur hübsch aussehen heute. Mom sagt auch, ich werde nur einmal 21 und ich soll es so richtig geniessen.“ Wie immer, wenn sie von ihrer Mutter sprach lag ein warmes Lächeln auf ihren Lippen.
„Tante Mary hat recht. Und ob du das geniessen solltest. Ich meine hey, die Party heute ist nur für dich, hm?“ antwortete Nalla ihr lächelnd.
„Dad macht ein großes Geheimnis aus dem, was ich noch so alles zum Geburtstag bekomme, aber ich lasse ihm den Spaß.“ lachte Kristin.
„Typisch Rhage. Er verwöhnt dich. Wen hast du denn sonst noch alles eingeladen? Ein paar aus dem Trainingszentrum?“ wollte Nalla wissen.
„Ja, aber nur zwei oder drei. Sie nehmen mich doch alle nicht so wirklich ernst, weil ich noch nicht durch meine Transition bin. Für sie bin ich doch immer noch ein kleines Mädchen. Also werden nur alle Kinder von den Brüdern da sein, zwei oder drei der Vampire aus dem Trainingszentrum und ein paar Mädchen aus der Schule. Und... Brahve.“ Kristin biss sich auf die Lippen, als sie diesen Namen erwähnte. Ihr wurde bewusst, dass sie ihn nicht noch mal extra hätte aufzählen müssen, nachdem sie bereits gesagt hatte, dass alle Kinder der Brüder da waren.
Glücklicherweise schien Nalla das nicht weiter zu bemerken. „Brahve? Bist du sicher? Er erträgt es doch kaum, im gleichen Raum wie sein Vater zu sein. Der hat doch bestimmt besseres zu tun als auf einer Familienfeier abzuhängen.“ gab sie zu bedenken.
Kristin schüttelte den Kopf. „Nein, Brahve hat mir versprochen, dass er kommen wird. Und er... also er... hält sein Versprechen.“ bemühte sie sich so fest wie möglich zu sagen. Natürlich war sie sich bewusst, dass ihr bester Freund in der letzten Zeit nicht gerade zuverlässig gewesen war, dass er alles tat um seiner Rolle als zukünftiger König zu entkommen. Sogar das Training schleifen ließ. Völlig unzurechenbar geworden war. Hatte sie früher immer geglaubt, Brahve zu kennen, so hatte sie jetzt manchmal das Gefühl, dass ihn ein dunkles Geheimnis umgab, von dem sie keine Ahnung hatte. Dennoch... er hatte sie bisher noch nie enttäuscht. Und erst recht würde er ihren Geburtstag nicht vergessen. Niemals. Nicht Brahve.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Chapter 3

Als Vishous, das Mädchen noch immer unbeholfen tragend, ein paar Minuten später zusammen mit Brahve das Anwesen betrat, kam Rhage mit Nalla die Treppe runter. Der blonde Krieger blieb stehen als sich ihm dieser doch sehr ungewöhnliche Anblick von V mit dem Kind auf dem Arm bot.
„Was ist los? Nalla hat gesagt, du brauchst mich?“ wollte Rhage wissen.
Vishous presste die Lippen aufeinander, sah auf das Kind in seinen Armen runter, wobei ihm dabei die fast unübersehbare Tatsache auffiel, dass das Mädchen haargenau die gleiche Augenfarbe hatte wie Rhage. Er schluckte leicht und wendete sich dann ernst an seinen Bruder. „Offenbar haben Brahve und Nalla sie beim Spielen außerhalb der Mauer gefunden. Sie lag im Schnee, in eine Decke gewickelt und alles, was wir als Hinweis haben ist diese Nachricht. Du solltest sie lesen.“ sagte er und hielt Rhage den Zettel hin.
Der Gesichtsausdruck von Rhage veränderte sich während des Lesens sofort. Noch nie hatte Vishous so viele gemischte Gefühle auf einmal gelesen wie in dem Blick mit dem Rhage ihn daraufhin ansah.
„Sag mir, dass du keine Karen kennst. Aber ich... vermute, dass du das nicht kannst?“ wollte V wissen.
„Soll das heißen, du hast das hier nicht kommen sehen?“
„Nein, habe ich nicht.“
„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“
„Du solltest sie nehmen. Ich denke, so... na ja... sollte es sein.“
Rhage seufzte, als er Vishous das kleine Mädchen abnahm. Als er ihrem Blick zum ersten Mal begegnete, wusste er, dass sie sein war. Dass sie ein Teil von ihm war. Dass er sie lieben würde. Es war ja auch nicht so, dass er keine Kinder wollte, ganz im Gegenteil. Aber er hatte nicht gewusst, dass es sie gab. Hatte sie in irgendeinem Club gezeugt...
„Rhage? Ach hier bist du. Ich hab dich schon gesucht. Ich...“ Marys freundliche Stimme ertönte auf der Treppe.
Sofort drehte Rhage sich um und Mary erstarrte, wurde leichenblass und starrte Rhage und das Kind einen Moment lang einfach nur an. Hunderte kleine Nadeln stachen in ihr Herz. Ihr Mund war leicht geöffnet, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Wie oft hatten Rhage und sie in den letzten Monaten über das Thema Kinder gesprochen. Mehr und mehr hatte es ihre Beziehung belastet, dass sie ihm diesen einen Wunsch niemals erfüllen konnte und dass sie auch nicht so recht eine Lösung gefunden hatten, wie sie trotzdem ein Kind haben konnten. Und jetzt, wo sie ihn so da stehen sah, das kleine Mädchen, das die gleichen Augen hatte wie der Mann den sie liebte, auf den Armen, wurde ihr mehr als schmerzhaft bewusst, wie sehr sie eigentlich gewünscht hatte, genau DAS zu sehen. Nur... etwas trübte dieses Bild. Und zwar, dass auf diesem Bild kein Platz für sie war.
„Mary...“ brachte Rhage schwach über die Lippen. Er hatte nicht mal selber die Gelegenheit gehabt so wirklich zu verarbeiten, was gerade passiert war und er wusste erst recht nicht, wie er das Mary alles erklären sollte.
„Nein! Nicht, Rhage!“ Sie klang nicht wütend, sie schrie ihn nicht an. Aber was noch viel schlimmer war, ihre Stimme klang ausdruckslos, ohne die vertraute Wärme, die er so daran liebte. „NEIN!“ wiederholte sie noch mal, drehte sich dann um und lief die Treppe hoch. Weg von diesem Bild, von dem sie wusste, dass sie es niemals würde vergessen können.

„Kann ich... mit dir reden?“ Vorsichtig hatte Rhage die Tür zu seinem und Marys Schlafzimmer geöffnet.
Mary drehte sich langsam zu ihm um, versuchte gar nicht erst, vor ihm zu verbergen, dass sie geweint hatte. Er würde es ohnehin riechen können. Sie wusste, dass sie ihm nicht ewig aus dem Weg gehen konnte und dass dieses Gespräch wohl nicht zu vermeiden war, also nickte sie.
Rhage betrat das Zimmer richtig, griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich zum Bett, platzierte sie vorsichtig auf diesem, setzte sich selbst neben sie. Er wirkte müde und ausgelaugt. Die Stunden, seitdem Kristin gefunden worden war, waren anstrengend und ermüdend gewesen und jetzt war ihm nichts wichtiger als die Dinge mit Mary wieder gerade zu rücken. Als er ihren Blick auf sich ruhen spürte, drehte er sich zu ihr.
„Du wolltest reden.“ erinnerte sie ihn.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“ gestand er.
„Wie wäre es mit am Anfang?“
Rhage nickte, schloß kurz die Augen, sah seine Frau dann aber offen an. „Du... weißt, wie ich wahr, bevor ich dich kennengelernt habe. Ich war mir eigentlich sicher, dass ich immer darauf aufgepasst habe, dass die Frauen, mit denen ich Sex hatte, gerade nicht fruchtbar waren. Offenbar habe ich mich da geirrt. Karen war eine von vielen. Ich erinnere mich so gut wie gar nicht mehr an sie, habe nur ein sehr vages Bild vor Augen von einer Frau in einem Club.“ erzählte er.
„Das konnte ich mir soweit selber zusammen reimen.“ antwortete Mary. „Aber... was ist jetzt? Was ist mit dieser Karen? Warum kommt sie jetzt damit an, nachdem sie dir vorher nie etwas von dem Kind erzählt hat? Und was ist mit dem Kind?“
„Vishous arbeitet daran, herauszufinden, wo sie ist oder was mit ihr passiert ist. Weil sie etwas darüber geschrieben hat, dass ihr Leben scheinbar zu Ende ist. Vielleicht war sie krank, totkrank.“ vermutete Rhage. „Und will deswegen, dass ich nun auf das Kind aufpasse.“ Bei den letzten Worten mied er zum ersten Mal ihren direkten Blick.
Mary presste die Lippen aufeinander. Leicht war diese Situation ganz bestimmt nicht für sie, aber sie hatte auch ein paar Stunden Zeit gehabt um darüber nachzudenken. Ihre leicht zitternde Hand tastete nach seiner. „Was ist mit dir? Willst du denn das Kind?“
Ganz leicht streichelte er mit seinem Daumen über ihren Handrücken. „Mary, ich... ich kann das nur schwer erklären, aber als sie mich angesehen hat, wusste ich plötzlich, dass sie ein Teil von mir ist. Dass ich sie lieben werde. Ich... ja, ich will dieses Kind. Allerdings würde ich es na ja... mit dir wollen.“ Die letzten Worte hatte Rhage nur geflüstert und sein Herz schlug jetzt gefährlich schnell als er auf eine Amtwort wartete.
„Nein.“ Mary schüttelte den Kopf. „Das klingt gar nicht dumm. Es klingt genau so, wie es bei einem Vater sein sollte. Und eigentlich... bekräftigt es mich nur noch mal in dem, was ich mir in den letzten Stunden überlegt habe. Dann... dann will ich dieses Kind auch, Rhage. Ich will ihm eine Mutter sein. So als wäre es mein Kind. Alleine schon, weil es... von dir ist.“
Gerührt und unendlich erleichtert preste Rhage seine Lippen auf ihre. Niemals hätte er sich zwischen seiner Shellan und seiner Tochter entscheiden können und dafür, dass er es nicht musste, würde er Mary bis an sein Ende lieben.
„Ich liebe dich. Mehr als du dir jemals vorstellen kannst.“ flüsterte er an ihren Lippen.
„Ich liebe dich auch.“
Einen Moment lang genossen sie einfach nur die Nähe des Anderen, die sie beide mehr als alles andere jetzt brauchten.
„Wo ist die Kleine?“ wollte Mary wissen.
„Sie ist Gott sei Dank endlich eingeschlafen. Bella hat mir geholfen, neben Nallas Kinderzimmer fürs erste noch ein Kinderzimmer einzurichten. Aber das ist noch nicht fertig. Brahve ist kaum von Kristins Seite gewichen.“
„Kann ich sie sehen? Ich würde sie gerne kennenlernen.“
Rhage hob Marys Hand an seine Lippen und küsste ihre Fingerspitzen. „Ja, natürlich, Lielan. Du sollst deine Tochter kennenlernen.“
Er stand auf und hielt ihr seine Hand hin nach der sie bereitwillig griff. Er führte sie über den Gang zu dem Zimmer, das vorrübergehend das Kinderzimmer für Kristin sein würde, wo er leise die Tür öffnete.
Zunächst blieb Mary etwas unsicher im Türrahmen stehen, während Rhage an das Bett des Mädchens trat. „Sieh an... du bist also wach.“ lächelte er und streckte vorsichtig seine Hand aus. Das letzte, was er wollte, war dass sie Angst vor ihm hatte. Sie würde sich erst noch an ihn gewöhnen müssen.
Mary stellte sich nun neben Rhage und sah zu Kristin. „Sie... ist so hübsch. Und sie hat deine Augen.“ flüsterte sie.
Stolz mischte sich in seinen Gesichtsausdruck. „Ja, das ist sie wirklich.“ Er lächelte, als sich die kleinen Finger von Kristin um seine schloßen und als er zu seiner Frau sah, stellte er fest, dass sie ebenfalls lächelte.
„Darf ich vorstellen... das ist Kristin. Kristin, das ist deine Mutter.“ sagte Rhage und zog Mary eng an sich, so dass sie beide auf ihre Tochter in ihrem Bettchen sehen konnten.

Dienstag, 18. Januar 2011

Chapter 2

„Nalla, geh deinen Dad holen!“
Es dauerte einen Moment ehe Nalla überhaupt reagierte. Sie hatte noch nicht wirklich begriffen, WAS sie da gerade überhaupt gefunden hatte. „Daddy wird böse sein, weil wir nach draußen gegangen sind.“ murmelte sie schwach.
„Das ist egal! Hol deinen Dad. Oder Onkel V. Hol irgendwen!“ Brahve wirkte in diesem Moment alles andere als wie ein dreijähriges Kind, aber er hatte begriffen, dass es um Leben und Tod ging, sie alleine aber nicht viel ausrichten konnten.
Zitternd kam Bewegung in Nallas Körper. Sie schien zu begreifen, dass es wichtig war und dass sie etwas tun musste. Sie rannte los, stolperte ein paar Mal im Schnee und fand dann das Loch in der Mauer, durch das sie zurück auf das Anwesen gelangte, wo sie auf das sichere Haupthaus zu rannte.

Brahve trug eine schwarze, dicke Winterjacke, die allerdings durch das Spielen im Schnee selbst von Innen durchnässt war. Aber es war besser als nichts. Schnell zog er ihn aus, setzte sich in den Schnee und legte seine Jacke dem kleinen Mädchen, was lediglich in eine leichte Decke gewickelt mitten im Schnee auf dem Boden lag. Sie zeigte keinerlei Reaktion darauf, als Brahve ihr die Jacke umlegte.
Der kleine Vampirprinz wusste nicht, ob das Mädchen überhaupt mitbekam, dass er hier war, aber weil ihm nichts besseres einfiel, was er sonst sagen konnte, begann er, eine Geschichte zu erzählen, die ihm seine Mutter des öfteren erzählte, wenn er nicht einschlafen konnte. Eine wundervolle Geschichte von einer Prinzessin, die immer dafür sorgte, dass er sich besser fühlte.
In völliger Stille im Schneefall war nur die leise Kinderstimme eines kleinen Jungen zu hören, der einem Mädchen eine Geschichte über eine glückliche Prinzessin erzählte.

Nalla wusste schon, warum Brahve gesagt hatte, sie sollte V holen. V neigte von allen ihren Onkels am wenigstens dazu, wütend zu werden, wenn sie irgendetwas angestellt hatten, sah alles relativ locker. Als sie das Haupthaus betrat wurde ihr die Entscheidung, wen sie um Hilfe fragen sollte, allerdings auch recht schnell abgenommen. Der große Krieger mit den silbernen Augen kam ihr im Foyer entgegen und das kleine Mädchen rannte sofort auf ihn zu.
„V! Onkel V, du musst sofort mitkommen!“
Vishous zog die Augenbrauen leicht hoch. „So, muss ich das?“ Offenbar ging er davon aus, dass sie spielen wollte. „Nalla, ich weiß nicht, aber eigentlich habe ich jetzt keine Zeit um zu spielen.“
„Nein, du musst mitkommen. Brahve helfen!“
Diese wenigen Worten ließen die Körperhaltung des Bruders sofort verändern. Alle Alarmsignale gingen sofort an. Was, wenn der Prinz in Gefahr war? Nur zu gut wusste Vishous, wie sehr Wrath um die Sicherheit seines Sohnes rund um die Uhr besorgt war. Und jeder hier würde sofort sein Leben für diesen Jungen geben ohne auch nur einen Moment zu zögern. Vishous setzte sich in Bewegung. „Wo ist er?“ wollte er wissen.
„Komm.“ Nallas kleine Hand zog an dem starken Arm des Kriegers und sie lief Richtung Tür.
Wenig später, als Vishous sich gezwungen sah auf allen Vieren durch eine viel zu kleine Lücke in der Mauer zu krabbeln, fragte er sich, ob das Mädchen nicht doch nur mit ihm spielte.
„Nalla, ich hab wirklich keine Zeit für so was. Ich arbeite gerade an einem neuen Computersystem und ich...“
Vishous Protest verstummte, als er die kleine Gestalt des Prinzen im Schnee entdeckte und er erstarrte als ihm klar wurde, dass es genau genommen zwei Gestalten im Schnee waren, die zweite noch etwas kleiner als die von Brahve. „Was ist hier los, Nalla? Wer ist das?“ fragte er, weit schärfer als er es beabsichtigt hatte.
„Wir... wir haben sie gefunden.“ gab Nalla etwas kleinlaut zurück.
Der Krieger beeilte sich, wieder richtig auf die Beine zu kommen und rannte das letzte Stück bis zu der Stelle an der die Kinder im Schnee saßen. „Brahve, steh sofort auf!“ forderte er, als er sah, dass der Junge ohne Jacke im Schnee saß.
Brahve stand auf und deutete auf das leise weinende Mädchen. „Du musst ihr helfen, Onkel V.“ bat er.
Vishous nickte und hob das Mädchen erstmal hoch, hielt es etwas unbeholfen mit einem seiner starken Armen fest. Er überprüfte es grob auf Verletzungen, konnte aber nichts erkennen, wollte sie aber trotzdem zu seiner Shellan bringen um sicher zu gehen, dass er nichts übersah.
Etwas anderes jedoch zog seine Aufmerksamkeit auf sich. An der Decke, in die das Mädchen eingewickelt war, war ein Zettel befestigt, den er von dieser löste und auseinander faltete.
Nur einige wenigen, offenbar in Eile geschriebene Zeilen standen darauf. Adressiert war er an Rhage, aber Vishous laß ihn sich trotzdem durch. Immerhin ging es hier um die Sicherheit aller, also musste er wissen, was es mit dieser Nachricht auf sich hatte.

Rhage,
es tut mir leid, aber ich hatte keine andere Wahl. Mein Leben geht zu Ende und ich überlasse dir das Einzige, was mir in meinem traurigen Leben etwas bedeutet hat. Deine Tochter. Ich habe sie Kristin genannt.
Ich bin einer Spur gefolgt, von der ich glaube, sie führt zu dir. Ich hoffe, du findest sie und wirst von nun an auf sie aufpassen.
Ich habe keine Zeit mehr.
Es tut mir leid, Karen.


Vishous stockte der Atem. Er laß die Nachricht noch ein zweites Mal und schüttelte den Kopf, konnte es noch immer nicht fassen.
„Nalla, lauf ins Haus und hol Rhage. Wir kommen sofort nach. Es ist wichtig!“
Das Mädchen fragte diesmal nicht nach. Vishous Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass sie tun musste, was er sagte und so rannte sie los.
Brahve zog ungeduldig an V's Hosenbein. „Geht es ihr gut?“ fragte er mit großen Augen.
„Ich denke schon. Wir bringen sie jetzt rein. Jane wird sich um ihn kümmern. Und ich werde mit Rhage sprechen müssen.“ Vishous hielt es bei Rhage früherem Lebensstil nicht für ausgeschlossen, dass dabei mal ein Kind entstanden war, aber wenn es wirklich so war, wie diese Karen behauptete, dann würde das vermutlich ALLES ändern...

Sonntag, 16. Januar 2011

Chapter 1

Caldwell, New York, Winter 2011

„Brahve, Nalla, spielt doch besser drin. Es ist viel zu kalt draußen.“ Schneefall lag außerdem in der Luft. Wrath glaubte, diesen förmlich schon auf seiner Haut spüren zu können und eine Gänsehaut zog sich über seine Arme. Dennoch wusste er, dass sein Sohn und seine beste Freundin nicht zu bremsen sein würden.
Brahve war mittlerweile drei Jahre alt, Nalla schon fast fünf. Die beiden waren nahezu unzertrennlich. Nichts und niemand konnte zwischen die Beiden kommen, auch oder sogar vor allem ihre Eltern nicht.
Unzählige Versuche von Wrath, seinen Sohn, der später einmal seinen Thron erben würde, schon mit seinen jungen Jahren zum Unterricht zu bewegen, wie man es vom Prinz der Vampirrasse erwarten würde, aber bei Brahve stand immer das kleine, hübsche Vampirmädchen, das so sehr nach ihrer Mutter Bella kam, im Vordergrund.
Wie Wrath es sich schon gedacht hatte, verpuffte seine Warnung an die Beiden, lieber drin zu spielen im Nichts. Die beiden Kinder wurden eher magisch von der in der Dunkelheit weiß glänzenden Pracht, die schon seit einigen Tagen überall die Landschaft bedeckte. Den eiskalten Wind, der neue Schneewolken ankündigte, schienen sie dabei nicht mal zu bemerken.
Das helle Kinderlachen, das ertönte, als Nalla die Tür aufriss, stimmte Wrath jedoch sofort milde. Auf dem Anwesen konnten die beiden ausgelassen spielen. Hier waren sie sicher und niemand hier würde jemals zu lassen, dass irgendeine Gefahr hier auf sie lauern würde.

„Was wollen wir denn spielen?“ Nalla war die etwas Vernünftigere, während Brahve kaum je zu bändigen war. Eine Reihe von Schneebällen flog auch schon in die Richtung des Mädchens. „Fang mich doch.“ lachte Brahve und rannte dann auch schon los, tiefer in den schneebedeckten Garten.
Nalla schüttelte den Kopf aber ihr helles Lachen mischte sich schnell mit dem ihres besten Freundes und schon bald begannen sie eine wilde Jagd durch den Schnee.
„Du schreist wie ein Mädchen.“ grinste sie ihn zufrieden an, als sie ihn eingefangen hatte, woraufhin Brahve wild zu zappeln begann. „GAR NICHT!“ beschwerte er sich lautsark.
Eine Weile rauften sie sich im Schnee, bis sie einfach nebeneinander auf dem Rücken im Schnee liegen blieben. Dass sie bereits bis auf die Haut durchnässt waren, störte keinen von ihnen.

Brahve blickte auf den dunklen Himmeln über ihnen und grinste zufrieden, als einige kleine Schneeflocken langsam ihren Weg zur Erde suchten. Er mochte es draußen, liebte es einfach über das weitläufige Gelände zu rennen. Bis zu den Mauern. Das hatte man ihnen immer wieder beigebracht, war so ziemlich das erste gewesen, was man ihm immer wieder gesagt hatte, kaum dass seine eigenen Beine ihn überhaupt tragen konnten.
Einmal hatte er miterlebt, dass Nalla ein Loch in der Mauer entdeckt hatte und durch dieses gekrabbelt war und noch nie hatte er ihren Vater, der sie sonst stets auf Händen trug und ihr jeden Wunsch von den Augen ablaß, so wütend erlebt, wie als er sie dabei erwischt hatte. Seitdem hielten sie sich stets an die Regeln.

Schnell verlor Brahve das Interesse daran, die Schneeflocken zu beobachten. Plötzlich war eine kleine Spur, vermutlich die eines Tieres oder ähnlichem, die im Schnee auf die Mauer, die dunkel aus dem Schnee emporragte, zu führte, von viel größerem Interesse für ihn. „Nalla, komm!“ Kaum hatte er das gesagt, war er auch schon auf seine Füße gesprungen und sah seine Freundin herausfordernd an.
Nur kurz zögerte Nalla, als sie sah, dass Brahve auf die verbotene Mauer zu lief, aber erstens wollte sie ihn nicht alleine lassen und zweitens siegte auch ihre eigene Neugier über ihre Angst vor eventuellen Konsequenzen.
Die beiden Kinder krochen an der Mauer entlang, verfolgten diese Spur bis zu einem Loch in der Mauer. Brahve war schon halb durch dieses durch geklettert, als Nalla ihn festhielt. „Nicht, Brahve. Nicht weiter!“
„Lass mich, Nalla, ich hab keine Angst. Ich...“ Brahve brach seinen Satz ab. Ein leises Geräusch, das wie eine Mischung aus Wimmern und Weinen klang und dem kleinen Jungen fast das Herz brach, ließ ihn erstarren.
„Was ist das?“ wollte Nalla wissen. In ihrem Gesichtsausdruck war deutlich ihre Angst zu lesen. „Lass uns wieder rein.“ flehte sie ihren Freund schon fast an.
Brahve hörte sie nicht. So fern so etwas möglich war, waren in seinem Körper, der eigentlich noch ein Kind von gerade mal 3 Jahre war, alle Kriegerinstinkte geweckt. Seine Sinne waren geschärfter, das Geräusch war in seinen Ohren jetzt noch lauter zu hören.
„Nein, ich muss gucken, wo das her kommt.“ antwortete er und kletterte nun ganz durch die Mauer.
Noch immer hatte Nalla Angst, aber alleine hier warten wollte sie erst recht nicht und so folgte sie ihm.
Seine Instinkte führten ihn, so dass er dem Geräusch immer näher kam und schließlich stehen blieb. Mit seinen kleinen Füßen stieß er gegen etwas und schrie auf.
Nalla zuckte zusammen, als sie den Schrei hörte. „Wir hätten drin bleiben sollen.“ jammerte sie leise und blieb schließlich ebenfalls stehen.
Brahve brauchte einen Moment bis er seine Umgebung etwas erfasst hatte. Das Geräusch kam von direkt vor ihm. Und irgendwo da im Schnee war etwas. Wieder stieß er dagegen. Als er sich bückte, erstarrte sein kleiner Körper sofort völlig.
Er hatte die Ursache des Geräusches gefunden, starrte in zwei stahlblaue, weit geöffnete Augen.