Als Vishous, das Mädchen noch immer unbeholfen tragend, ein paar Minuten später zusammen mit Brahve das Anwesen betrat, kam Rhage mit Nalla die Treppe runter. Der blonde Krieger blieb stehen als sich ihm dieser doch sehr ungewöhnliche Anblick von V mit dem Kind auf dem Arm bot.
„Was ist los? Nalla hat gesagt, du brauchst mich?“ wollte Rhage wissen.
Vishous presste die Lippen aufeinander, sah auf das Kind in seinen Armen runter, wobei ihm dabei die fast unübersehbare Tatsache auffiel, dass das Mädchen haargenau die gleiche Augenfarbe hatte wie Rhage. Er schluckte leicht und wendete sich dann ernst an seinen Bruder. „Offenbar haben Brahve und Nalla sie beim Spielen außerhalb der Mauer gefunden. Sie lag im Schnee, in eine Decke gewickelt und alles, was wir als Hinweis haben ist diese Nachricht. Du solltest sie lesen.“ sagte er und hielt Rhage den Zettel hin.
Der Gesichtsausdruck von Rhage veränderte sich während des Lesens sofort. Noch nie hatte Vishous so viele gemischte Gefühle auf einmal gelesen wie in dem Blick mit dem Rhage ihn daraufhin ansah.
„Sag mir, dass du keine Karen kennst. Aber ich... vermute, dass du das nicht kannst?“ wollte V wissen.
„Soll das heißen, du hast das hier nicht kommen sehen?“
„Nein, habe ich nicht.“
„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“
„Du solltest sie nehmen. Ich denke, so... na ja... sollte es sein.“
Rhage seufzte, als er Vishous das kleine Mädchen abnahm. Als er ihrem Blick zum ersten Mal begegnete, wusste er, dass sie sein war. Dass sie ein Teil von ihm war. Dass er sie lieben würde. Es war ja auch nicht so, dass er keine Kinder wollte, ganz im Gegenteil. Aber er hatte nicht gewusst, dass es sie gab. Hatte sie in irgendeinem Club gezeugt...
„Rhage? Ach hier bist du. Ich hab dich schon gesucht. Ich...“ Marys freundliche Stimme ertönte auf der Treppe.
Sofort drehte Rhage sich um und Mary erstarrte, wurde leichenblass und starrte Rhage und das Kind einen Moment lang einfach nur an. Hunderte kleine Nadeln stachen in ihr Herz. Ihr Mund war leicht geöffnet, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Wie oft hatten Rhage und sie in den letzten Monaten über das Thema Kinder gesprochen. Mehr und mehr hatte es ihre Beziehung belastet, dass sie ihm diesen einen Wunsch niemals erfüllen konnte und dass sie auch nicht so recht eine Lösung gefunden hatten, wie sie trotzdem ein Kind haben konnten. Und jetzt, wo sie ihn so da stehen sah, das kleine Mädchen, das die gleichen Augen hatte wie der Mann den sie liebte, auf den Armen, wurde ihr mehr als schmerzhaft bewusst, wie sehr sie eigentlich gewünscht hatte, genau DAS zu sehen. Nur... etwas trübte dieses Bild. Und zwar, dass auf diesem Bild kein Platz für sie war.
„Mary...“ brachte Rhage schwach über die Lippen. Er hatte nicht mal selber die Gelegenheit gehabt so wirklich zu verarbeiten, was gerade passiert war und er wusste erst recht nicht, wie er das Mary alles erklären sollte.
„Nein! Nicht, Rhage!“ Sie klang nicht wütend, sie schrie ihn nicht an. Aber was noch viel schlimmer war, ihre Stimme klang ausdruckslos, ohne die vertraute Wärme, die er so daran liebte. „NEIN!“ wiederholte sie noch mal, drehte sich dann um und lief die Treppe hoch. Weg von diesem Bild, von dem sie wusste, dass sie es niemals würde vergessen können.
„Kann ich... mit dir reden?“ Vorsichtig hatte Rhage die Tür zu seinem und Marys Schlafzimmer geöffnet.
Mary drehte sich langsam zu ihm um, versuchte gar nicht erst, vor ihm zu verbergen, dass sie geweint hatte. Er würde es ohnehin riechen können. Sie wusste, dass sie ihm nicht ewig aus dem Weg gehen konnte und dass dieses Gespräch wohl nicht zu vermeiden war, also nickte sie.
Rhage betrat das Zimmer richtig, griff nach ihrer Hand und zog sie mit sich zum Bett, platzierte sie vorsichtig auf diesem, setzte sich selbst neben sie. Er wirkte müde und ausgelaugt. Die Stunden, seitdem Kristin gefunden worden war, waren anstrengend und ermüdend gewesen und jetzt war ihm nichts wichtiger als die Dinge mit Mary wieder gerade zu rücken. Als er ihren Blick auf sich ruhen spürte, drehte er sich zu ihr.
„Du wolltest reden.“ erinnerte sie ihn.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.“ gestand er.
„Wie wäre es mit am Anfang?“
Rhage nickte, schloß kurz die Augen, sah seine Frau dann aber offen an. „Du... weißt, wie ich wahr, bevor ich dich kennengelernt habe. Ich war mir eigentlich sicher, dass ich immer darauf aufgepasst habe, dass die Frauen, mit denen ich Sex hatte, gerade nicht fruchtbar waren. Offenbar habe ich mich da geirrt. Karen war eine von vielen. Ich erinnere mich so gut wie gar nicht mehr an sie, habe nur ein sehr vages Bild vor Augen von einer Frau in einem Club.“ erzählte er.
„Das konnte ich mir soweit selber zusammen reimen.“ antwortete Mary. „Aber... was ist jetzt? Was ist mit dieser Karen? Warum kommt sie jetzt damit an, nachdem sie dir vorher nie etwas von dem Kind erzählt hat? Und was ist mit dem Kind?“
„Vishous arbeitet daran, herauszufinden, wo sie ist oder was mit ihr passiert ist. Weil sie etwas darüber geschrieben hat, dass ihr Leben scheinbar zu Ende ist. Vielleicht war sie krank, totkrank.“ vermutete Rhage. „Und will deswegen, dass ich nun auf das Kind aufpasse.“ Bei den letzten Worten mied er zum ersten Mal ihren direkten Blick.
Mary presste die Lippen aufeinander. Leicht war diese Situation ganz bestimmt nicht für sie, aber sie hatte auch ein paar Stunden Zeit gehabt um darüber nachzudenken. Ihre leicht zitternde Hand tastete nach seiner. „Was ist mit dir? Willst du denn das Kind?“
Ganz leicht streichelte er mit seinem Daumen über ihren Handrücken. „Mary, ich... ich kann das nur schwer erklären, aber als sie mich angesehen hat, wusste ich plötzlich, dass sie ein Teil von mir ist. Dass ich sie lieben werde. Ich... ja, ich will dieses Kind. Allerdings würde ich es na ja... mit dir wollen.“ Die letzten Worte hatte Rhage nur geflüstert und sein Herz schlug jetzt gefährlich schnell als er auf eine Amtwort wartete.
„Nein.“ Mary schüttelte den Kopf. „Das klingt gar nicht dumm. Es klingt genau so, wie es bei einem Vater sein sollte. Und eigentlich... bekräftigt es mich nur noch mal in dem, was ich mir in den letzten Stunden überlegt habe. Dann... dann will ich dieses Kind auch, Rhage. Ich will ihm eine Mutter sein. So als wäre es mein Kind. Alleine schon, weil es... von dir ist.“
Gerührt und unendlich erleichtert preste Rhage seine Lippen auf ihre. Niemals hätte er sich zwischen seiner Shellan und seiner Tochter entscheiden können und dafür, dass er es nicht musste, würde er Mary bis an sein Ende lieben.
„Ich liebe dich. Mehr als du dir jemals vorstellen kannst.“ flüsterte er an ihren Lippen.
„Ich liebe dich auch.“
Einen Moment lang genossen sie einfach nur die Nähe des Anderen, die sie beide mehr als alles andere jetzt brauchten.
„Wo ist die Kleine?“ wollte Mary wissen.
„Sie ist Gott sei Dank endlich eingeschlafen. Bella hat mir geholfen, neben Nallas Kinderzimmer fürs erste noch ein Kinderzimmer einzurichten. Aber das ist noch nicht fertig. Brahve ist kaum von Kristins Seite gewichen.“
„Kann ich sie sehen? Ich würde sie gerne kennenlernen.“
Rhage hob Marys Hand an seine Lippen und küsste ihre Fingerspitzen. „Ja, natürlich, Lielan. Du sollst deine Tochter kennenlernen.“
Er stand auf und hielt ihr seine Hand hin nach der sie bereitwillig griff. Er führte sie über den Gang zu dem Zimmer, das vorrübergehend das Kinderzimmer für Kristin sein würde, wo er leise die Tür öffnete.
Zunächst blieb Mary etwas unsicher im Türrahmen stehen, während Rhage an das Bett des Mädchens trat. „Sieh an... du bist also wach.“ lächelte er und streckte vorsichtig seine Hand aus. Das letzte, was er wollte, war dass sie Angst vor ihm hatte. Sie würde sich erst noch an ihn gewöhnen müssen.
Mary stellte sich nun neben Rhage und sah zu Kristin. „Sie... ist so hübsch. Und sie hat deine Augen.“ flüsterte sie.
Stolz mischte sich in seinen Gesichtsausdruck. „Ja, das ist sie wirklich.“ Er lächelte, als sich die kleinen Finger von Kristin um seine schloßen und als er zu seiner Frau sah, stellte er fest, dass sie ebenfalls lächelte.
„Darf ich vorstellen... das ist Kristin. Kristin, das ist deine Mutter.“ sagte Rhage und zog Mary eng an sich, so dass sie beide auf ihre Tochter in ihrem Bettchen sehen konnten.
Alex ich bin begeistert :D
AntwortenLöschenAls ich lass das die beiden das Baby gefunden haben da dachte ich schon so ohoh.... das is rhage´ baby.... und musste sofort an Mary denken... wie wird sie damit umgehen....
aber was is denn genau mit karen.... is sie wirklich todkrank... da würde ich auch gerne mehr zu erfahren ;o)
bitte schnell weiter :o)
Lg
Sabrina
es ist wirklich schön und gut geschrieben und ich will mehr lesen ^^ aber irgendwie kommt ich zeitlich nicht hin. da ja raghe mit mary zusammen gekommen ist bevor nalla geboren wurde und sie in deiner geschichte schon 5 sein soll und die kleine von raghe? wie alt ist sie, sie müsste doch älter sein als nalla oder?
AntwortenLöschenlg jessy