Dienstag, 15. Mai 2012

Chapter 30


BLAY!“ schrie Qhuinn. Seinem Gesicht fehlte jegliche Farbe, als er auf seinen Hellren zu lief. Blay tötete seinen Gegner und drehte sich zu Qhuinn um, der ihm mit so viel Schwung umarmte, dass sie beide zusammen zu Boden gingen, aber das kümmerte Qhuinn nicht wirklich. Er musste Blay anfassen, musste sicher gehen, dass dieser Schuß ihn wirklich nicht getroffen hatte und dass Blay ihn nicht verlassen hatte. Er presste seine Lippen auf Blays, wollte in diesem Kuss ertrinken, in der Wärme von Blays Körper.
Qhuinn, hey, ich... es ist schon gut, okay?“ murmelte Blay und legte Qhuinn eine Hand an die Wange.
Ist es nicht. Ich dachte gerade mein Leben ist vorbei.“ Qhuinns Stimme klang zittrig und brüchig.
Baby, der Schuß hätte aber nicht dich getroffen. Sondern mich.“
Das ist es ja gerade. Was hätte ich bitte ohne dich hier machen sollen? Ich wäre dir in den Schleier gefolgt.“
Hör auf so was zu sagen. Es ist alles gut.“ wiederholte Blay noch einmal und presste seine Lippen fest auf Qhuinns.
Ich hätte es nicht geschafft, dich zu retten.“ murmelte Qhuinn, als er sich wieder von Blay löste. Das war es, was ihn am meisten beschäftigte. Er hatte versagt...
Wenn Brahve nicht gewesen wäre, dann... Scheiße! Brahve!“ fiel es ihm dann ein und er setzte sich ein wenig auf. In seiner Sorge um Blay hatte er alles andere um sie herum völlig vergessen. Auch die Tatsache, dass Brahve den Schuß, der für Blay gedacht gewesen war, abgefangen hatte.
Jetzt jedoch kam Bewegung in ihn und er rannte zu Vishous, der auf dem Boden neben dem leblos wirkenden Körper von Brahve kniete.

Wie schlimm ist es?“ richtete er sich fragend an V, drehte sich so, dass er Blay nicht aus den Augen ließ. Jetzt war seine Angst wieder da, dass er hilflos mit ansehen musste, wie Blay getötet wurde. Und er wusste, dass ihn das in seinen Träumen heim suchen würde. Blay stand ebenfalls auf und stellte sich hinter Qhuinn. Er wusste, dass der ihn nun in seiner Nähe brauchen würde.
Es sieht nicht gut aus. Glatter Durchschuß. In die Brust. Ich hab Jane schon Bescheid gesagt, dass wir ihn bringen werden. So eine ähnliche Verletzung hatte ich auch, also wenn es jemanden gibt, der ihn retten kann, dann ist es Jane.“ antwortete Vishous.
Einen habe ich noch erwischt, die Luft ist jetzt aber rein.“ sagte Phury, der nun ebenfalls zu ihnen trat.
Qhuinn kniete sich nun auf den Boden, legte eine Hand auf Brahves Arm. „Brahve, hör zu, du wirst mir jetzt nicht sterben. Du hast Blay das Leben gerettet und dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Also stirb mir jetzt nicht weg, klar?“ sagte er leise zu ihm, seine Stimme noch immer voller Emotionen.
Kristin hatte so lange im Zimmer ausgeharrt, bis wirklich alles ruhig geworden war. Noch immer war weder Brahve noch einer der Anderen zu ihr gekommen um ihr zu sagen, dass alles okay war und sie raus kommen konnte. Obwohl sie Angst hatte, umklammerte sie ihre Waffe nun fester, zog sich an der Kommode hoch und rannte zur Tür. Im Haus herrschte schon fast beängstigende Stille und sie wollte nur noch raus. Und vor allem... Brahve finden.

NEIN!“ zerriss ein schriller Schrei die Stille, die nach dem Kampf eingetreten war. Alle vier Männer drehten sich zum Haus und und sahen Kristin in der Tür stehen, die Hand vor den Mund gepresst, die Augen geweitet, als sie zu ihnen rüber starrte.
Blay lief zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schultern. „Hey, sieh nicht hin, okay?“ sagte er und versuchte sie ein wenig mit sich in eine andere Richtung zu drehen.
NEIN, lass mich. Lass mich zu ihm“ schrie sie und wehrte sich gegen Blays Griff, der allerdings dann locker ließ. Ihm wurde gerade nur noch mal so richtig bewusst, dass eigentlich er auf dem Boden liegen sollte und er hätte es gerne gehabt, wenn Qhuinn an seiner Seite gewesen wäre. Und Brahve verdiente jetzt alle Unterstützung, die er bekommen konnte und wenn Kristin ihm gut tun sollte, dann würde er ihm nicht verweigen, dass sie bei ihm war.
Kaum, dass Blay sie los gelassen hatte, rannte Kristin zu Brahve, kniete sich zu ihm auf den Boden. „Brahve! Brahve, du darfst nicht gehen. Lass mich nicht alleine. Du bist der Einzige, den ich noch habe. Bitte.“ flüsterte sie und presste ihm einen Kuss auf die Lippen.
Die vier Männer um sie herum sahen sich ein wenig betroffen an. Ihnen war nicht bewusst gewesen, wie tief die Bindung der Beiden wohl war. „Sie ist durch ihre Wandlung gegangen.“ stellte V leise fest. „Und offenbar hat er ihr geholfen.“
Qhuinn schluckte schwer. Zu gut konnte er sich gerade vorstellen, wie Kristin sich jetzt fühlen musste. Er legte der jungen Vampirin eine Hand auf die Schulter. „Er wird es schaffen. Wir bringen ihn jetzt zu Jane. Sie hat V aus einer ähnlichen Situation gerettet. Kommst du mit?“ fragte er, nicht sicher ob sie mit zum Anwesen kommen wollte.
Einen kurzen Moment zögerte Kristin. Sie vermisste ihre Familie, ihr zu Hause. Aber eigentlich war sie noch nicht darauf vorbereitet, wieder dorthin zurück zu kenren. Als ihr Blick auf Brahve fiel, nickte sie allerdings. „Ja, ich bleibe bei ihm. Ich komme mit.“
Als Brahve von der Kugel getroffen war, hatte es sich angefühlt, als würde ihm die Brust aufgerissen werden. Immer wieder war er weg gedriftet, hatte sich seinen Schmerzen einfach hin gegeben. Er hatte Stimmen gehört, konnte aber deren Bedeutung nicht zu ordnen. Erst als er eine weibliche Stimme hörte, die sagte, dass sie bei ihm bleiben würde, wurde er ruhiger, erlaubte sich, einfach in die Schwärze um ihn herum fallen zu lassen, wusste, dass ihm nichts passieren würde.


Als die vier Brüder das Anwesen zusammen mit Kristin und dem verletzten Brahve erreichten, warteten nicht nur Jane und Ehlena in der Krankenstation auf sie, sondern auch ein äußerst besorgter Wrath und eine blass aussehende Beth.
Brahve.“ murmelte Beth und lief sofort zu ihrem Sohn, griff nach dessen Hand. „Brahve, mein Baby. Du musst... es schaffen.“ Tränen liefen über ihre Wange, als sie Phury, der Brahve trug, ins Krankenzimmer folgte, wo sie aber einen Moment später von Jane raus geschickt wurde, die gleich mit der Operation beginnen wollte. Trostsuchend drängte sie sich an ihren Hellren, der offenbar noch zu betroffen gewesen war, um etwas zu tun.
Was ist passiert?“ richtete Wrath sich jetzt fragend an die Brüder. Seine Stimme klang längst nicht so sicher und autoritär wie sonst.
Blay wäre fast gestorben!“ platzte es Qhuinn hervor. Seine Augen war fast schon panisch geöffnet und seine Unruhe für alle Anwesenden deutlich zu spüren.
Blay legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Qhuinn, ich bin hier. Es geht mir gut.“ sagte er und tat dann das Einzige, von dem er wusste, dass es Qhuinn immer beruhigen würde. Er presste seine Lippen auf die seines Hellrens und zog ihn eng an sich, hielt ihn in einer festen Umarmung, während er ihn küsste.
Wir... gehen besser nach oben.“ sagte Blay dann entschuldigend zu den anderen, wohl wissend, dass Qhuinn jetzt nicht in der Lage sein würde, zu berichten, was passiert war. Und er würde ihn ganz sicher jetzt nicht alleine lassen, wo er seine Nähe jetzt brauchte.
Vishous nickte den Beiden zu und drehte sich dann zu Wrath. „Ich will jetzt wissen, was passiert ist.“ wiederholte er, während er versuchte, Beth so gut wie möglich festzuhalten.

Brahve hat einen Notruf abgegeben, dass in dem Haus, wo er mit Kristin war, wohl ein Lesserquartier war. Daraufhin sind Qhuinn, Blay, Phury und ich sofort dahin. Offenbar waren die Lesser gut abgesichert, weil wir sofort beschossen worden sind, als wir dort ankamen. Ich hab den Typen auf dem Dach ausgeschaltet und bin dann von oben ins Haus. Drinnen bin ich auf Brahve getroffen und hab mich mit ihm zusammen durch das Treppenhaus nach unten vorgearbeitet.“ An der Stelle erwähnte Vishous nichts davon, dass er Brahve für einen hevorragenden Krieger hielt, so wie dieser sich in der Situation verhalten hatte. „In der Zwischenzeit wollten Qhuinn und Blay von Unten ins Haus, wurden da aber gleich von einigen Lessern angegriffen. Sie hatten die Situation im Prinzip im Griff. Allerdings hat sich einer dieser Schweine im Dunklen im Treppenhaus versteckt. Mit einem Maschinengewehr. Als Brahve ihn entdeckt hat, war ihm offenbar klar, dass er auf Blay zielte und der Schuss ihn tötlich treffen würde. Ihm blieb keine Zeit um es anders zu verhindern, außer sich in die Schusslinie zu werfen.“ beendete Vishous seine Schilderung.
Wrath wurde von den unterschiedlichsten Emotionen durchflutet. Er fühlte einen nie da gewesenen Stolz auf seinen Sohn, als ihm bewusst wurde, dass er einem Krieger das Leben gerettet hatte ohne an sein Eigenes zu denken. Er fühlte aber auch Angst und Schmerz, seinen Sohn vielleicht jetzt zu verlieren.
Ich will nur mein Baby zurück.“ schluchzte Beth und Wrath presste ihr seine Lippen auf die Stirn. „Er wird es schaffen. Er ist ein Kämpfer.“ sagte er leise. Offenbar war er das wirklich, wie er heute bewiesen hatte. Und er betete innerlich zur Jungfrau, dass sie ihm seinen Sohn nicht nehmen würde, bevor er ihm nicht ein mal gesagt hatte, dass er stolz auf ihn war und ihn liebte.
Jane wird es schaffen. Sie hat es bei mir auch geschafft und es ist fast die gleiche Verletzung.“ sagte V in die Stille hinein.


Kristin hatte noch kein Wort gesprochen, seitdem sie das Anwesen erreicht hatten. Zuerst war es ihre Sorge um Brahve gewesen und die nahm ihr auch noch immer den Atem. Immerhin war er ein Teil von ihr und wenn er ihr genommen würde, würde es nichts und niemanden geben, der diese Lücke wieder füllen könnte.
Sie hatte sich in eine Ecke zurück gezogen, sah niemanden an und versuchte auch nicht, mit jemandem zu sprechen, war sich nicht mehr sicher, ob man sie hier überhaupt noch haben wollte, hatte Angst, dass man sie von hier weg schicken würde, sie nicht bei Brahve lassen würde. Sie schämte sich dafür, dass sie weg gelaufen war und fühlte sich schuldig an dem, was jetzt alles passiert war.
Sie hatte ihre Knie angezogen, ihre Arme um diese geschlungen und ihren Kopf auf die Knie gestützt. Sie verfolgte nicht wirklich, was um sie herum gesprochen wurde und wenn sie Brahve nicht nicht alleine lassen gewollt hätte, hätte sie sich in ein noch tieferes Loch verzogen, weg von dem allen hier. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, wenn sie wieder hier her kommen würde, aber ein wenig hatte sie innerlich an der Vorstellung festgehalten, dass es immer noch ihr zu Hause sein würde. Trotz allem was passiert war, war es immerhin das einzige zu Hause, was sie je gehabt hatte.
Kristin... Baby...“ hörte sie eine Stimme, die sofort ihren Kopf leicht anheben ließ. Eine Stimme, die ihr ganzes Leben lang dafür gesorgt hatte, dass sie sich besser fühlte, dass sie sich sicher fühlte.
Rhage stand einige Schritte von ihr entfernt und schien sich nicht sicher zu sein, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Und da war er nicht alleine mit, sie wusste es ebenfalls nicht.
Seine Miene spiegelte Angst, Sorgen, Wärme, Liebe... alles in einer Mischung, die Kristin mitten ins Herz traf.

Und dann gab es für sie kein Halten mehr. Sie sprang auf, rannte auf ihn zu und fiel ihm dann um den Hals. „Daddy.“ weinte sie an seiner Schulter, vergrub ihr Gesicht in seinem Shirt und klammerte sich fest an ihn. Zu viel Angst hatte sie ihn den letzten Stunden ausgestanden und zu alleine hatte sie sich damit gefühlt, als dass sie jetzt noch daran denken konnte, dass sie noch immer wütend auf ihren Vater war, weil er ihr nicht die Wahrheit über ihre Herkunft gesagt hatte.
Der starke Körper des Kriegers zitterte, als er seine Tochter in die Arme nahm, sie langsam hin und her wiegte, wie er es mit ihr als kleines Kind schon immer getan hatte, wenn sie geweint hatte. Seine blauen Augen schimmerten feucht und mit einer seiner großen, starken Hände streichelte er über den Rücken seiner Tochter.
Minutenlang standen sie einfach nur so da. Keiner von ihnen sagte ein Wort und es schien so, als müssten sie sich gegenseitig Halt geben. Halt, den sie dringend brauchten. Viel mehr, als sie es geahnt hatten.
Irgendwann hob Kristin ihren Kopf leicht an um ihren Vater ansehen zu können. „Daddy, darf ich... hier bleiben?“
Fassungslos schüttelte Rhage seinen Kopf. „Ich wusste nicht, wie viel ich als Vater anscheinend falsch gemacht habe. Natürlich darfst du hier bleiben. Du kannst jederzeit hier hin zurück kommen. Es ist dein zu Hause, das wird es auch immer sein.“ sagte er, seine Stimme ein wenig heiser.
Ich... ich wusste nicht ob das noch immer so ist. Bin ich denn... noch deine... Tochter?“
Rhage presste sie eng an seinen noch immer zitternden Körper. „Natürlich bist du noch immer meine Tochter, Baby. Ich bin fast wahnsinnig geworden vor Sorgen. Ich habe gehofft, dass du wieder zurück kommen wirst. Und jetzt... jetzt ist meine Tochter... mein kleines Mädchen... eine wunderschöne, junge Vampirin.“ Erfürchtig streichelte Rhage über die tränennasse Wange seiner Tochter. „Viel wichtiger... bin ich denn noch dein Vater?“ wollte er wissen.
Kristin nickte, fühlte sich jetzt wieder viel mehr wie ein kleines Mädchen. „Ja, das bist du, Daddy.“ flüsterte sie.
Rhage küsste ihr auf die Stirn und drückte sie wieder an sich. „Über alles andere reden wir später noch.“
Mary stand etwas abseits von dieser Szene. Sie fühlte sich daran erinnert, als sie zum ersten Mal Rhage mit seiner Tochter auf dem Arm gesehen hatte. Da hatte sie sich aus aus diesem Bild ausgeschlossen gefühlt und so ging es ihr auch jetzt. Sie hatte Angst da zu zu gehen, Angst, vor Zurückweisung. Und auch ein wenig Angst davor, Kristin gleich wieder zu vertreiben. Vor allem, weil sie zu sehr spüren konnte, wie erleichtert Rhage darüber war, seine Tochter endlich wieder bei sich zu haben.

Als Kristin sich wieder leicht von Rhage löste und ihren Kopf leicht drehte, traf sich ihr Blick mit dem gequält wirkenden Blick von Mary. Rhage folgte Kristins Blick und biss die Lippen zusammen, hielt sogar den Atem leicht an.
Mom.“ flüsterte Kristin nach einem Moment, der allen dreien wie eine Ewigkeit vorgekommen war und streckte ihre Arme leicht in Marys Richtung aus.
Rhage lächelte leicht und auch er hielt einen Arm so, dass er für Mary Platz machen konnte. Mary presste einen Hand vor ihren Mund. Noch nie hatte es sich so angefühlt, sie Mom sagen zu hören. Sie unterdrückte ihr schluchzen und lief zu ihrer Familie, ließ sich gegen Rhages Schulter sinken und zog mit ihrem freien Arm ihre Tochter zu sich, so dass sie sich nun alle umarmt halten konnten.

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