Montag, 30. April 2012

Chapter 28


In den nächsten drei Tagen verließen Brahve und Kristin ihr Zimmer nicht wirklich. Der Vorrat an Essen, den Brahve mit gebracht hatte, reichte aus und Brahve war noch immer der Meinung diese Gegend wäre nicht die sicherste und er wollte nicht wirklich riskieren, dass ihr draußen etwas passierte. Natürlich war ihm bewusst, dass sie auf Dauer nicht wirklich ewig immer nur in diesem Zimmer bleiben konnten, aber er verschob das Suchen nach einer besseren Lösung erstmal noch ein wenig nach hinten. Weder er noch Kristin verspürten den Wunsch, wieder ins Anwesen zurück zu wollen. Brahve fühlte sich abseits des Anwesen viel freier, viel mehr als er selber. Und Kristin war noch nicht bereit dazu, sich einer Auseinandersetzung mit ihren Eltern zu stellen. Zur Zeit glaubte sie noch, dass sie das niemals sein würde, aber Brahve war der Meinung, dass früher oder später der Zeitpunkt kommen würde, wo sie gerne mehr darüber gewusst hätte, wie es dazu gekommen war, dass Rhage und Mary sie aufgenommen hatten und wie diese zu dem ganzen standen.
Sie hatte viel mit ihm darüber gesprochen, darüber wie sie sich fühlte. Und es hatte ihr gut getan, mit ihm so offen über alles sprechen zu können.
Näher gekommen waren sie sich nicht noch ein mal, beide hatten aber das Gefühl, dass der Kuss etwas magisches gewesen war, der sie noch viel enger aneinander gebunden hatte. Sie schliefen immer Arm in Arm und aneinander gekuschelt.
Für Brahve war das alles sehr ungewohnt. Er hatte Aghony davon sprechen hören, dass er sich gerne binden würde, aber er selber hatte sich das für sich nie vorstellen können. Er konnte sich einfach nicht vorstellen mit jemandem in so einer tiefen Bindung zu leben, wie zum Beispiel seine Eltern und auch die anderen Brüder es taten. Aber er hielt sich selber ohnehin für anders, als Aghony, der vermutlich bald in die Bruderschaft aufgenommen werden würde und der ganze Stolz seines Vaters war.
Seitdem er mit Kristin in diesem Zimmer war jedoch, war er sich nicht mehr so sicher, ob er sich so etwas gar nicht vorstellen konnte. Bilder schlichen in seinen Kopf, von denen er bisher nie gewagt hatte auch nur zu träumen. Bilder von Kristin und sich, ihren Kindern. Bilder von ihm als Bruder. Von seinem Vater, der ihn stolz in die Bruderschaft aufnahm. Und er spürte einen nicht zu erklärenden Schmerz, wenn seine innere Stimme ihm sagte, dass das für ihn unerreichbar bleiben würde, dass er es nicht wert war so viel Glück zu erfahren.


Wir haben nichts mehr zu essen.“ stellte Brahve seufzend fest, als er aufgewacht war.
Kristin setzte sich auf und wischte sich über die müden Augen. „Ich kann was holen gehen.“ bot sie an.
Es ist noch hell draußen!“
Ich kann aber doch raus!“
Aber dann kann ich dich nicht beschützen.“ gab Brahve ernst zurück.
Niemand wird mir im Hellen etwas tun. Lesser sind auch meistens nur Nachts unterwegs. Und der Supermarkt ist nur ein paar Schritte weiter. Ich bin in einer viertel Stunde wieder da. Ich hab wirklich Hunger!“ sagte sie und sah ihn bittend an.
Brahve fühlte sich zu nichts nutzend. Er schaffte es nicht mal dafür zu sorgen, dass sie immer genug essen hatten, dass sie nicht hungern musste. Und obwohl es ihm noch immer gar nicht gefiel, dass er sie alleine nach draußen gehen lassen musste, wusste er, dass ihm keine andere Wahl blieb. „Okay, du... hast recht.“ sagte er. „Aber komm dann gleich wieder zurück, ja?“
Ja, versprochen.“ versicherte sie ihm, stand auf und zog sich schnell etwas anderes an, damit sie sich auf den Weg machen konnte.
Brahve konnte nicht anders, als sie fest in seine Arme zu ziehen. Kristin lachte. „Ich geh doch nur ganz kurz raus.“, drückte sich aber für einen Moment eng an ihn.

Als sie nach draußen in die Sonne trat, musste sie schwer blinzeln. Ihre Augen schienen seltsam zu brennen, aber sie schob es darauf, dass sie jetzt immerhin eine ganze Weile nicht im Hellen draußen gewesen war und ihre Augen das nicht gewöhnt waren. Ihre Beine fühlten sich wie Gummi an, aber auch das verdrängte sie und machte sich auf den Weg zum nahe gelegenden Supermarkt um wirklich möglichst schnell wieder bei Brahve zu sein. Seine beschützende Art war noch ein wenig verwirrend für sie, aber sie mochte es, dass sie sich bei ihm so absolut sicher fühlen konnte.
Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn, als sie den Supermarkt erreicht hatte und sie griff mehr blind nach irgendetwas essbarem, als dass sie sich wirklich darauf konzentrieren konnte, was sie aussuchte. In ihrem Magen schien sich ein seltsamer Knoten gebildet zu haben und mittlerweile tat ihr jeder Schritt weh. Sie beeilte sich, zu bezahlen und aus dem Supermarkt zu treten. Die frische Luft sorgte allerdings wider Erwarten nicht dafür, dass sie sich besser fühlte. Ihr Körper schien sich von Inneren heraus zu verkrampfen und mittlerweile tränten ihre schmerzenden Augen.
Auf dem kurzen Rückweg musste sie mehrfach stehen bleiben, ihren Körper dazu zwingen noch weiter zu gehen. Und die Treppe zu ihrem Zimmer war eine einzige Qual, die sie nur mit letzter Krarft nach oben schaffte.
Brahve.“ krächzte sie, als sie an der Tür angekommen war. Ihre Stimme schwach, ihre Kehle so zugeschnürt als würde etwas von Innen heraus diese blockieren, so dass jeder Ton, der aus dieser kam ihr wahnsinnge Qualen bescherte.

Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen und Brahve spürte, wie ihm Schmerzen entgegen schlugen. Körperliche Schmerzen. IHRE Schmerzen.
Sofort legte er einen Arm um ihre Hüften und zog sie ins Zimmer. „Kristin... Süße, was... was ist denn passiert?“ fragte er und hasste sich in diesem Moment selber dafür, dass es ihm schon wieder nicht gelungen war, sie zu beschützen, ihr Schmerzen zu ersparen.
Ich...“ Sie hustete. „Ich... weiß nicht. Es tut so weh... Brahve, es zerreisst mich... innerlich. Und meine Augen...“
Erschrocken sah er, wie gerötet ihre Augen waren. Und ihm wurde ganz anders, als ihm klar wurde, was hier gerade passierte. „Deine... deine Wandlung!“ murmelte er.
Für einen kurzen Moment vergass Kristin den Schmerz. „Was? Ist... das dein Ernst?“
Ja, das ist es.“ An die Schmerzen bei seiner eigenen Transition erinnerte er sich noch gut genug. „Aber keine Angst, ich werde dir helfen!“
Als er sich aber mit einer zitternden und vor Schmerzen stöhnenden Kristin auf die Matratze legte, bereute er es fast, dass er jetzt hier mit ihr alleine war. Nicht, dass er nicht zu seiner Entscheidung stand, aber er wusste nicht wirklich, wie genau er ihr helfen konnte und er gefährdete damit vielleicht ihr Leben.
Brahve...“ Ihre Stimme klang jetzt noch schwächer als zu vor. „Mir... ist heiß. Ich verbrenne.“
Shhhht... ja, ich weiß. Aber das geht vorbei. Und ich bin bei dir, okay?“ Er zog sie an sich, hielt sie fest und überlegte fieberhaft, wie er ihr helfen konnte.
Als ihm einfiel, was ein Vampir in seiner Wandlung am meisten brauchte, wurde ihm ein wenig anders. Blut!
Noch nie hatte er jemanden von sich trinken lassen und er hatte es auch nicht wirklich vorgehabt, wenn er ehrlich war. Und er fragte sich, ob er Kristin sein Blut überhaupt zu ordnen konnte. Immerhin hatte er diese dunkle Seite, die sich zum Beispiel beim Sex und beim Nähren zeigte. Und diese Gabe, was die Gefühle anderer Leute anging. Was, wenn das alles auf sie übertragen würde?
Kristin schrie vor Schmerzen auf, krümmte sich neben ihm auf der Matratze und Brahve wurde klar, dass er nicht sonderlich viel Zeit hatte um zu handeln. Er tastete nach seinem Handy und tat etwas von dem er gedacht hatte, dass er es nie tun würde... Er wählte die Nummer seines Vaters, weil er nicht mehr weiter wusste.

Hallo?“
Dad? Ich... ich bin's.“
Brahve! Was ist los? Wo bist du?“ Aus Wraths Stimme schwang echte Sorge mit und das gab Brahve den Mut um seine Frage zu stellen.
Ich... Kristins Wandlung hat angefangen. Was... was soll ich denn jetzt machen? Wie kann ich ihr helfen?“
Wrath hielt am anderen Ende der Leitung kurz den Atem an. „Kannst du sie hier her bringen?“
Nein. Dafür ist keine Zeit. Und das will ich ihr auch nicht antun. Sie ist noch nicht so weit.“ sagte Brahve leise und warf einen besorgten Blick auf Kristin.
Okay... dann... gib ihr von deinem Blut!“ Wrath klang sicher und so entschieden, wie Brahve es von ihm kannte. Zum ersten Mal jedoch imponierte ihm das und er war froh, dass Wrath es gewohnt war in schweren Situationen den Überblick zu behalten.
Aber... ich weiß nicht, ob das so gut wäre. Mein Blut...“
Dein Blut stammt von der stärksten und ältesten Vampirlinie ab. Es ist stark und es wird ihr helfen. Zöger nicht länger. Sie braucht dich. Mein Sohn.“
Die letzten Worte waren fast die ausschlaggebenden dafür, dass Wrath Brahve überzeugen konnte. „Ich... ja, ich gebe ihr von meinem Blut.“ Er schluckte. „Danke Dad!“
Gern geschehen. Wann kommt ihr wieder?“
Ich weiß es noch nicht. Ich... meld mich wieder. Ich muss mich jetzt um Kristin kümmern.“ Nach den Worten legte Brahve auf.
Brahve legte das Handy weg, krempelte seinen Ärmel hoch und biss sich ohne noch mal zu zögern ins Handgelenk. Seinen anderen Arm schob er so unter Kristins Oberkörper, dass er sie hochziehen und festhalten konnte, so dass sie mehr oder weniger aufrecht saß.
Hier... trink.“ sagte er und hielt ihr sein Handgelenk an die Lippen.
Ich... kann... kein... Blut...“ murmelte sie schwach und ihr Körper schien sich zu schütteln.
Du musst aber. Es wird dir besser gehen, wenn du trinkst. Ganz sicher. Komm schon.“ Er presste ihr das Handgelenk noch fester gegen die Lippen, so dass etwas von seinem Blut auf diese tropfte und er betete, dass sie das annehmen würde.
Nach einem kurzen Moment leckte Kristin sich über die Lippen und stöhnte auf. Und dann begann sie, zu saugen. Von seinem Blut zu nehmen. Das schönste Geräusch, was Brahve je in seinem Leben gehört hatte. Er hielt sie einfach nur fest, ließ sie so viel nehmen, wie sie brauchte. Und er begriff, dass er ihr nicht nur von seinem Blut gab, sondern dass er ihr dabei einen Teil von sich selber gab und sich somit alles zwischen ihnen noch mal verändern würde.


Kristin trank so lange, bis sie sich kraftlos auf die Matratze sinken ließ und in einen tiefen Schlaf fiel. Sie wirkte jetzt so reglos, dass Brahve sich immer wieder mal vergewissern musste, ob sie auch noch atmete. Er hoffte, dass der Schlaf eine erholsame Wirkung auf sie hatte.
Dass ihr Körper noch zitterte, machte ihm wirklich Angst und er bettete sie unter allen Kissen und Decken, die ihm zur Verfügung standen. Dann legte er sich neben sie und hielt in seinen Armen.
Er selber erlaubte sich nicht eine Minute zu schlafen, für den Fall, dass sich irgendetwas an ihrem Zustand änderte und falls sie noch mal Blut brauchen sollte. Er wusste nicht, ob das, was sie zu vor von ihm getrunken hatte, bereits genug war.
Das Gefühl, dass es sein Blut war, was nun in ihrem Körper fließ und diesem Kraft verlieh, sorgte dafür, dass er gewisses Besitzdenken entwickelte. Immer wieder geisterte das Wort MEIN durch seinen Kopf, ohne, dass er es steuern konnte. Sicher, er hatte sie nicht sterben lassen wollen und er hatte gesagt, dass er ihr durch die Wandlung helfen würde, aber was, wenn das bedeutete, er hatte ihr damit eine unwiderrufliche Bindung aufgezwungen hatte? Und ihr dabei nicht die Wahl gelassen hatte, dass sie ihn nun in sich spüren konnte.
Er hatte nie geglaubt, dass es eine so starken Unterschied machen würde, wenn man durch Blut verbunden war, aber er musste zu geben, dass er das wirklich unterschätzt hatte.
Brahve wusste nicht genau, wie lange Kristin geschlafen hatte. Irgendwann hatte wenigstens ihr Körper aufgehört zu zittern und ihr Schlaf war ruhiger geworden.

Kristin hatte das Gefühl, dass sie in einem neuen Körper aufwachte. Ihr Magen rebellierte noch immer ein wenig. Ihr Kopf fühlte sich schwer an. Ihre Zunge zu schwach um zu sprechen. Aber ihre Sinne waren geschärft, schienen in ihrem Körper zu vibrieren, was ihr ein wenig Angst machte.
Völlig orientierungslos öffnete sie ihre Augen, sah sich um und sah dann Brahve neben sich. Nein... sie fühlte ihn. Sie fühlte ihn in sich. Auch, wenn sie das alles noch nicht so recht verstehen konnte, beruhigte sie das ein wenig, war das einzige Gute, was sie im Moment an ihrem Zustand finden konnte.
Kristin!“ Er hatte sich nie erleichterter gefühlt, als in diesem Moment, in dem sie ihre Augen geöffnet hatte und ihn ansah. „Oh Süße... wie geht es dir?“ wollte er wissen.
Ein paar Mal setzte sie an etwas zu sagen, aber bekam nicht einen Ton über ihre Lippen, so dass er ihr schon fast gesagt hätte, dass es schon okay war und sie nichts sagen brauchte, aber dann kam ein Wort, schwach und leise, über ihre Lippen. „Blut.“
Brahve erstarrte leicht. Es war also zu wenig gewesen, was er ihr gegeben hatte. Selbst das schien er nicht richtig hinzubekommen. Er war kurz davor, sich erneut ins Handgelenk zu beißen und ihr dieses an die Lippen zu halten, aber dann wurde ihm klar, dass ihm das diesmal nicht genügen würde. Er wollte sie in seinen Armen halten, während sie von ihm trank, wollte, dass sie an seinem Hals trank.
Und so setzte er sich richtig auf der Matratze auf, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand hinter sich und hob sie dann auf seinen Schoß, sorgte dafür, dass sie so bequem wie möglich saß. Ihr Körper schien schon fast wieder in einen reglosen Zustand übergegangen zu sein und er schlang seine Arme so um sie, dass er sie so fest wie möglich halten konnte.
Vorsichtig schon Brahve eine Hand in ihren Nacken und platzierte ihren Kopf an seiner Halsbeuge, legte seinen Kopf leicht zur Seite, damit sie noch besser an seinen Hals gelangen konnte.
Allerdings gab es ein Problem... Am Hals konnte er sich nicht selber beissen. „Kristin... du... musst... mich beissen. Du musst von mir trinken.“ sagte er dicht an ihrem Ohr, hoffte, dass sie ihn hören würde. Ganz sicher war er sich auch nicht, ob sie ihn schon beissen konnte, ob sie schon Vampir genug war, um das zu können.
Fast schon verzweifelte Brahve so sehr, weil er ihr so kein Blut geben konnte, dass er aufstehen wollte und seinen Dolch holen würde. Er hatte wirklich Angst davor, sich selber in den Hals zu schneiden, aber wenn es keine andere Möglichkeit geben sollte, dann würde er es ohne Zögern tun.
In dem Moment konnte er spüren, wie ihre Zähne leicht über seine Haut schabten. Das war defintiv die erotischste, intensivste Berührung, die er je in seinem Leben gespürt hatte und er musste sich etwas zusammen reissen, sich zu sagen, dass es dabei nicht darum ging. „Ja... du musst von mir trinken, Süße.“ sagte er noch mal und fuhr mit einer Hand in ihre Haare, hielt ihren Kopf fest wo er war.
Kristin wollte ihm irgendwie sagen, dass sie nicht konnte, wusste nur nicht wie, weil ihre Stimme einfach nicht wollte. Als sie aber deutlich seinen Puls unter seiner Haut spüren konnte, als sie glaubte, sein Blut riechen zu können, schienen ihre Instinkte stärker zu werden.
Brahve spürte ein kurzes Stechen, als sie mit ihren kleinen Fängen in seinen Hals biss, aber der Schmerz wich fast sofort einem noch viel tieferen Gefühl der Verbundenheit. Er hielt sie fest, damit sie entspannt trinken konnte und genoss ihr Saugen an seinem Hals. „Ja, so ist gut Süße. Nimm dir alles, was du von mir brauchst.“ flüsterte er.


Als sie das erste Mal von ihm getrunken hatte, hatte sie das so gut wie unbewusst getan. Ihr Körper hatte gespürt, dass er das Blut von ihm brauchte um zu überleben, dass es ihm gut tun würde, wenn sie trank. Aber dieses Mal erlebte sie es völlig bewusst. Sie konnte sein Blut auf ihrer Zunge spüren und es war der schönste Geschmack, den sie je in ihrem Leben erlebt hatte. Sein Blut schmeckte genau so wie er war. Männlich, stark, dunkel, verführerisch. Und sie konnte nicht genug davon bekommen, saugte an seinem Hals und genoss jeden noch so kleinen Tropfen Blut, den sie dabei aufnahm. Es war wie in einem Rausch. Ein Rausch, der auf alle ihre Sinne übergriff. Sie fühlte sich jetzt stärker und sie spürte eine Weiblichkeit, der sie sich so noch nie zu vor bewusst gewesen war.
Plötzlich konnte sie jetzt Brahves Hände, die an ihren Hüften lagen, weil er sie mit seinen Armen fest umschlungen hielt und sie so noch immer auf seinem Schoß hielt, überdeutlich spüren. Sie brannten auf ihrem Körper, obwohl sie ein Shirt trug und sie die Hände noch nicht mal auf ihrer Haut spüren konnte.
Und ihr wurde klar, dass sie genau das wollte. Brauchte. Seine Hände auf ihrer Haut. Sofort.
Leise stöhnend löste sie sich leicht von seinem Hals. „Brahve...“ murmelte sie.
Brahve hatte wirklich noch nie etwas unglaublicheres erlebt als das hier gerade. Und noch nie hatte jemand seinen Namen so ausgesprochen wie Kristin jetzt gerade. Mit so viel... Hingabe.
Ja, ist schon gut. Ich bin hier. Trink weiter. Du brauchst noch mehr. Du bist noch immer zu blass.“ sagte er zu ihr, streichelte leicht über ihre Seite.
Erstaunt stellte er fest, dass er damit ein Stöhnen bei ihr auslöste und sofort stoppte er die Bewegung seiner Hand, wusste nicht, wie er das einordnen konnte und vor allem nicht, was er jetzt tun sollte.
Brahve... ich brauche... dich.“
Ich weiß. Und du kannst weiter trinken.“
Nicht nur... Blut. Dich.“

Noch immer war Brahve wie erstarrte. Ihm wurde bewusst, dass er davon geträumt hatte, dass sie Worte wie diese zu ihm sagen würde. Nur wusste er nicht, ob sie das gerade sagte, weil es darum ging, dass sie IHN wollte. Sie... Kristin... Ihn... Brahve. Und nicht die Vampirin, die gerade durch ihre Wandlung ging, die die Wirkung des Blutes spüren konnte, dass ihr ein männlicher Vampir dabei gegeben hatte. Und genau aus diesem Grund war ihm klar, dass er es nicht tun konnte. Auf keinen Fall jetzt. Und auf keinen Fall so. Er wollte Kristin. Mehr als alles anderes. Und auf eine andere Art und Weise als er bisher die Frauen gewollt hatte, mit denen er Sex gehabt hatte. Aber genau aus diesem Grund würde er sich jetzt zurück halten müssen, so sehr sein Körper vielleicht auch etwas anderes wollte. Er würde es nur dann tun, wenn er sicher war, dass Kristin sich für ihn entschieden hatte.
Brahve.“ riss ihre Stimme ihn aus seinen Gedanken und als er zu ihr sah, weiteten sich seine Augen.
Kristin hatte eine Hand auf ihre Brust gepresst und mit ihrem Unterleib rieb sie sich leicht an seiner Jeans.
Bitte... Brahve...“
Offenbar bereitete es ihr Schmerzen, dass er sie nicht erlöste. Dass er ihr nicht mehr als sein Blut gab. Aber er hielt es doch dennoch für falsch...
Brahve...“ Ihre Stimme klang drängender und sie stöhnte seinen Namen mittlerweile nur noch.
Sie begann wieder an seinem Hals zu saugen, aber ganz offensichtlich reichte sein Blut nun nicht mehr aus.
Er fluchte leise. Vielleicht konnte er ihr anders helfen. Sie jetzt zu nehmen... ihre Situation so auszunutzen, konnte er nicht tun. Kristin war doch noch so unschuldig. Aber er konnte sie nicht leiden sehen, musste ihr irgendwie helfen. Immerhin hatte er ihr versprochen, dass er ihr durch die Wandlung helfen würde und wenn das dazu gehörte, dann würde er es tun.
Brahve hielt den Atem leicht an, als er ihre Hose öffnete, woraufhin sie sich ihm gleich stöhnend entgegen drängte. Offenbar war es wirklich das, was sie gerade brauchte.
Es war nicht leicht, sich zurückzuhalten, als er seine Finger in ihre Hose schob und spüren konnte, wie feucht sie bereits war, wie bereit dazu, berührt zu werden. Aber... nicht bereit für ihn... nur bereit dazu, Erlösung zu finden in diesem Moment. Das musste er sich sagen um nicht wahnsinnig zu werden, als er begann ihre Körpermitte zu streicheln.
Ihr leises Stöhnen an seinem Hals war umwerfend. Nach einer Weile hörte sie auf zu trinken, lehnte sich gegen ihn und hob ihm nur ihr Becken entgegen, stöhnte jetzt etwas ungehaltener. Daraufhin streichelte er sie etwas schneller und mit etwas mehr Druck, wollte ihr wirklich diese Erlösung schenken. Als er spüren konnte, wie sie sich zusammen zog und leicht zuckte, wäre er selber fast in seiner Hose gekommen. Noch nie hatte er etwas erlebt, was ihn mehr erregt hatte und obwohl es schmerzte, unterdrückte er dieses Verlangen, hielt die leicht zitternde und völlig erschöpft wirkende Kristin so gut es ging in seinen Armen fest.
Kristin fühlte sich seltsam benebelt, aber endlich hatte sie keine Schmerzen mehr und ihr Körper schien nach und nach zur Ruhe zu kommen. Sie wusste nicht genau, was das zu vor gewesen war, aber Brahve hatte genau das getan, was ihr Körper so sehr gebraucht hatte und dafür würde sie ihm ewig dankbar sein. Ein wenig konnte sie seinen Geschmack noch spüren und sie wünschte sich, dieses Gefühl für immer festzuhalten, wollte, dass sie das immer so schmecken konnte. Sie schliß ihre Augen und fiel in einen tiefen, heilenden Schlaf.
Es erleichterte Brahve zu sehen, dass Kristin eingeschlafen war und er konnte sich nun endlich darauf konzentrieren, seinen eigenen Körper wieder etwas zu beruhigen. Es schmerzte ihn, zu wissen, wie es sich anfühlte, wenn er sie berührte. Wie es sich anhörte, wie sie seinen Namen stöhnte. Er wusste, dass er davon nie genug bekommen würde, dass er mehr davon wollte. Wenn es nach ihm ging, durfte sie das nie erfahren. Es reichte, wenn sie wusste, dass er es getan hatte um ihr zu helfen. Es war besser so für alle.

Freitag, 27. April 2012

Chapter 27


Kristin wusste nicht genau, wie lange sie mit Brahve einfach nur so da gesessen hatte. Seine Wärme gespürt hatte, sich an ihn gelehnt hatte und wirklich das Gefühl hatte, sie gehörte zu jemandem. Zu IHM.
Brahve...“ murmelte sie, als ihr noch eine Sache einfiel, warum das gar nicht wirklich gehen konnte. Seltsamerweise schien sie besonders gut darin zu sein, Gründe für Brahve zu suchen, warum er nicht mit ihr zusammen sein konnte, anstatt es einfach so anzunehmen, dass er es ernst meinte, wenn er sagte, sie gehörte zu ihm. Vermutlich war es noch immer die Angst, dass sie nie gut genug für ihn sein konnte.
Was denn?“ fragte er sie leiste, streichelte jetzt mit seiner Hand über ihre Schulter.
Du... kannst doch nicht bei mir bleiben. Ich meine... ich bin ein... Mensch. Und vielleicht bleibe ich auch immer ein Mensch.“
Kristin... Hör mir zu... Ich habe dir gerade gesagt, dass ich bei dir bleiben werde. Für immer. Und es geht mir dabei um dich. Als Mensch oder als Vampir. Außerdem... ich bin mir sicher, du wirst dich wandeln und du wirst eine wundervolle Vampirin werden.“ sagte er. „MEIN!“ schoß es ihm mit einer solchen Heftigkeit in den Kopf, dass es ihn sogar die Reste seiner Kopfschmerzen vergessen ließ, die er noch immer hatte von diesem Gefühlsansturm, den er hatte zu lassen müssen, um Kristin zu finden. „Also... wenn du willst, dass ich gehe, dann sag es einfach, hm? Aber sag mir nicht immer, ich soll gehen, weil ich nicht bei dir bleiben kann, weil du denkst, es soll nicht so sein.“ bat er sie leise.
Okay dann... ich... will... dass du bleibst.“ Es tat so gut, das so auszusprechen und vor allem tat es so gut, dass er ihr deutlich machte, dass er es wirklich wollte. Bei ihr zu bleiben.

Brahve küsste ihr vorsichtig auf die Stirn und löste sich dann leicht von ihr, sah sich ein wenig in dem Raum um. Das Problem stellte eindeutig das einzige Fenster in diesem dar. Abgesehen davon, dass sie wenigstens ein bißchen was brauchen würden, um hier leben zu können. Wenigstens für eine Weile leben zu können.
Kristin, ich geh jetzt kurz ins Anwesen. Ich hole einige Sachen zum Anziehen, was zu essen und was mir sonst noch als nützlich erscheint.“ sagte er zu ihr. „Kannst du in der Zwischenzeit versuchen das Fenster mit den Laken zu verkleben? Es darf keine Sonne reinkommen.“
Sofort nickte Kristin. „Ja, das mache ich. Komm... also du kommst doch zurück?“
Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Ich dachte, das hätte ich dir gerade klar gemacht.“ grinste er sie an.
Sie errötete leicht, nickte aber dann. „Okay, dann kümmer ich mich um das Fenster und warte hier auf dich.“
Brahve kniff seine Augen leicht zusammen. „Hör zu... ich werde dir eines meiner Messer hier lassen. Es gefällt mir gar nicht, dich hier alleine zu lassen. Mach niemandem auf und geh bitte nicht ohne mich raus, okay?“ bat er sie ernst.
Für einen kurzen Moment machte es ihr Angst, was er ihr sagte, aber dann nickte sie und nahm das Messer entgegen. Zunächst wollte Brahve sie einfach nur umarmen und gehen, aber dann drückte er sie fester an sich und striff mit seinen Lippen mehrmals sanft über ihre Wangen. Noch nie hatte er so etwas sanftes getan, hatte den Wunsch verspürt, Zärtlichkeiten zu verteilen, aber bei ihr wollte er genau das. Und er wollte ihr zeigen, dass er das durchaus konnte.
Federleicht konnte Kristin seine Lippen auf ihrer Haut spüren und innerlich schmolz sie dahin, hätte ihn am liebsten gar nicht wieder los gelassen, nicht noch mal gehen lassen, aus Angst, dass ihr die Einsamkeit dann wieder zu viel sein würde.
Bis gleich. Ich beeil mich.“ versprach er ihr, als er sie losließ.


Schon als Brahve das Anwesen betrat, wusste er, dass er länger brauchen würde, als er es geplant hatte. Dass er nicht einfach nur schnell ein paar Sachen zusammen packen konnte und gleich wieder zu Kristin zurück konnte. Es erleichterte ihn wenigstens etwas, dass Qhuinn und Blay scheinbar, nachdem sie das Haus für nicht gefährlich befunden hatten, ins Anwesen zurück gekehrt waren und er sie somit jetzt nicht in etwas mit reinziehen würde.
Wrath kam schon die Treppe runter, als Brahve das Foyer betrat und Brahve wusste, dass er jetzt ernsthaft in Schwierigkeiten steckte, als er den Gesichtsausdruck seines Vaters sah. „In mein Büro. Jetzt.“ befahl er ihm und drehte sich dann auch schon wieder um, ging die Treppe wieder nach oben.
Das einzige, was Brahve etwas beruhigte, war, dass seine Mutter ebenfalls im Büro war, als er dieses betrat.
Dad, ich habe eine Entscheidung getroffen.“ Er wusste nicht genau warum, aber er entschied sich, dass Angriff die beste Verteidigung sein würde und dass er offen aussprechen sollte, was in ihm vor sich ging.
Hast du das? Und wann hast du gedacht, dass du uns etwas davon sagen wirst? Wenn es bereits zu spät ist?“ fragte Wrath nach. „Und wo warst du eben? Reicht es dir nicht, was beim letzten Mal passiert ist, als du alleine nach draußen gegangen bist?“
Nein. Ich habe es selber eben erst entschieden. Und jetzt sage ich es euch.“ Brahve atmete tief aus. „Ich weiß, wo Kristin ist. Und bevor du mir jetzt sagst, dass ich es euch sagen soll... ich werde es nicht sagen. Sie will im Moment niemanden sonst sehen. Es geht ihr gut und das ist leider alles, was ich dazu sagen kann.“
DAS kann nicht dein Ernst sein. Hast du eine Ahnung, was du da sagst? Weißt du, wie es Mary und Rhage geht?“
Ich weiß, wie es ihr geht und das steht für mich im Moment im Vordergrund. Es muss reichen, dass ihr wisst, dass es ihr gut geht und sie in Sicherheit ist.“ Das Haus hielt er zwar für nicht sonderlich sicher, aber das äußerte er nun nicht so. „Es gibt da noch etwas... was ihr wissen solltet.“ setzte er dann an.
Kann es noch schlimmer kommen?“ fragte Wrath und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

Beth hatte eine ihrer Hände auf die Schultern ihres Hellrens gelegt. Sie verstand ihren Sohn in diesem Moment sogar relativ gut, wusste aber, dass Wrath das jetzt so einfach nicht sehen konnte oder wollte.
Ihr wisst doch, dass Jane und Manny mittlerweile heraus gefunden haben, wann die Transition in etwa einsetzen wird. Vorausgesetzt sie setzt ein, was man bei einem Halbblut ja nicht ganz sicher sagen kann. Ich weiß durch Jane, dass es bei Kristin bald so weit ist. In etwa in ein paar Tagen, vielleicht eine Woche. Und ich habe mich dazu entschieden, dass ich ihr durch die Transition helfen werde.“ Niemals würde er das jemand anderen machen lassen. Nicht bei Kristin.
WAS? Das... das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein? Du kannst ihr nicht durch die Transition helfen.“
Und warum nicht? Weil sie nur ein einfaches Halbblut ist? Weil sie meiner nicht würdig ist? Ich werde es tun. Ich habe mich bereits entschieden. Und ich werde jetzt zu ihr gehen.“ sagte Brahve. So entschlossen war er wirklich noch nie zu vor.
Du kannst nicht gehen!“ sagte Wrath hart.
Warum nicht?“ wiederholte er seine Frage von zu vor.
Weil du der Prinz bist.“
Brahve schüttelte seinen Kopf, drehte sich um und lief zur Tür. Er hatte bereits die Klinke gedrückt um diese zu öffnen, als er sich noch mal umdrehte. „Dann... verzichte ich auf den Tittel. Er bedeutet mir nichts. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Ich... melde mich. Irgendwann.“ Die letzten Worte hatte er etwas leiser an seine Mutter gerichtet gesagt, bevor er dann wirklich das Zimmer verließ.


Brahve! Du gehst nicht! Ich werde den Brüdern sagen, dass sie dich hier nicht weglassen sollen und...“ schrie Wrath seinem Sohn hinterher, war aufgestanden und Richtung Tür gegangen, als Beth ihn an seinem Arm festhielt.
Nein, das wirst du nicht tun. Du setzt dich jetzt erstmal hin und ich rede mit dir!“ sagte sie in einem Tonfall bei dem Wrath wusste, dass er besser tun sollte, was sie sagte. Außerdem respektierte er ihre Meinung mehr als die Meinungen aller anderen.
Aber Beth... ich kann ihn doch nicht gehen lassen.“ murmelte er, als er sich gesetzt hatte.
Doch, das kannst du und das wirst du. Was willst du denn Rhage und Mary sagen? Dass Brahve der Einzige ist, der weiß, wo Kristin ist, du ihn aber nicht zu ihr gelassen hast, um ihr zu helfen? Dass Kristin vor ihrer Transition steht, du aber nicht zu gelassen hast, dass er ihr durch diese hilft? Dass du sie für nicht gut genug für deinen Sohn hälst?“
Als Wrath auf diese Fragen hin schwieg, wusste Beth, dass sie einige wichtige Punkte angesprochen hatte und dass sie nun seine volle Aufmerksamkeit hatte.
Ich... habe damit gerechnet, dass das irgendwann mal so passiert.“ sagte sie dann ein wenig leiser. „Ich glaube, dass Kristin sehr wichtig ist für Brahve.“
Was? Aber... wieso habe ich das nie mitbekommen?“ fragte Wrath überrascht.
Weil du damit beschäftigt bist, Brahve in allem zu kritisieren. Wrath, ich würde nie an deinen Entscheidungen zweifeln... und ich denke, dass du auch recht damit hattest, ihn vom Training auszuschließen. Brahve ist noch nicht so weit. Aber... warum sollte er nicht an Kristin interessiert sein? Klingt das so... unglaublich?“
Aber... Kristin ist Rhages kleines Mädchen.“
Beth lächelte leicht. „Das kleine Mädchen ist eine hübsche 21-jährige Frau, die kurz vor ihrer Transition steht. Und Brahve ist ein junger, ungebundener Vampir.“
So... so habe ich das noch nie gesehen.“ seufzte Wrath. „Warum habe ich das so nie gesehen?“
Weil du manchmal vergisst, dass er mehr ist als nur der... Prinz. Er ist dein Sohn, Wrath. Und er hat auch Gefühle, Ängste, Hoffnungen. Und manchmal... verlierst du das ein wenig außer Augen. Und damit... damit entfernst du ihn immer weiter von uns.“ Sie versuchte, darin keinen Vorwurf mit schwingen zu lassen, aber Wrath verstand die versteckte Botschaft dahinter.
Es tut mir leid, Lielan. Das wollte ich so nicht. Ich meine, er ist doch... unser Sohn.“

Beth setzte sich vorsichtig auf seinen Schoß und schlang ihre Arme um seinen Nacken. „Das weiß ich. Und ich weiß auch, dass du ihn liebst. Nur wäre es nicht schlecht, wenn du es ab und zu auch ihn mal wissen lassen würdest.“
Wrath verbarg sein Gesicht an ihrer Schulter. „Was sollte ich nur ohne dich tun? Du... hast recht. Ich sollte es ihm sagen. Und ich sollte vielleicht auch ein bißchen mehr darauf vertrauen, dass er seinen Weg gehen wird.“
Du brauchst nur ab und zu einen kleinen Schubser in die richtige Richtung und dafür bin ich da.“ antwortete sie lächelnd.
Manchmal auch einen großen Schubster.“ gab Wrath zu.
Lass Brahve jetzt erstmal gehen. Ich weiß, dass es nicht leicht ist und ich mache mir auch Sorgen um ihn und auch Kristin. Aber sie werden wieder kommen. Ganz sicher. Beide.“ sagte Beth und strich Wrath mit einer Hand durch die Haare.
Wrath seufzte. „Und... was sollen wir Rhage und Mary sagen?“
Am besten das, was Brahve auch zu uns gesagt hat. Dass es Kristin gut geht, dass er sich jetzt erstmal um sie kümmern wird, sie aber im Moment nicht bereit ist, zurück zu kommen oder jemand anderen zu sehen.“ schlug Beth vor.
Wrath nickte. „Das wird ihnen zwar nicht gefallen, aber eine andere Möglichkeit gibt es wohl wirklich nicht. Ich... ich hoffe, es ist das Richtige, Brahve das machen zu lassen. Ohne Hilfe.“ sagte er leise.
Vertrau auf deinen Sohn.“ flüsterte Beth und küsste ihm sanft auf die Lippen.


Halb rechnete Brahve damit, dass Wrath ihm folgen würde, ihn am Kragen packen würde und zurück in sein Büro zerren würde. Aber nichts geschah. Ungehindert konnte er in sein Zimmer gehen und als er begann, seine Sachen zusammen zu packen, fühlte er sich seltsam befreit. Endlich gesagt zu haben, wo seine Prioritäten lagen, nahm eine riesige Last von seinen Schultern, so wütend sein Vater vielleicht jetzt auch sein mochte. Dass ihm der Titel nicht wirklich etwas bedeutete, hatte er schon immer gewusst, aber jetzt erschien ihm dieser als völlig nebensächlich. Es ging ihm nur darum, dass er zu Kristin wollte und er hätte jederzeit wieder so entschieden wie jetzt gerade.
Er packte einiges zum Anziehen ein, noch ein paar Kissen und Decken. Ein weiteres Laken um noch mehr vor das Fenster machen zu können. Er suchte noch ein paar Sachen zusammen, von denen er glaubte, dass sie vielleicht ganz nützlich sein könnten und als letztes führte sein Weg in die Küche um wenigstens fürs erste etwas zu essen und zu trinken zu besorgen. Nachdem er auch das erledigt hatte, verließ er das Anwesen und dematerialisierte sich in die Stadt.
In der Zwischenzeit hatte Kristin so gut es geht das Fenster mit dem Laken zu gehängt. Als sie fertig gewesen war, hatte sie sich auf die Matratze zurück gezogen und den unheimlichen und lauten Geräuschen im Haus gelauscht, sich immer wieder gesagt, dass Brahve bald wieder bei ihr sein würde und ihr nichts passieren konnte. Als er das Zimmer betrat, sprang sie jedoch auf und fiel ihm erleichtert um den Hals.
Brahve fing sie so gut es ging auf, drehte sich mit ihr und setzte sie dann wieder auf dem Boden ab. „Hätte ich gewusst, dass ich so empfangen werde, wäre ich noch schneller wieder zurück gekommen.“ scherzte er und stellte seine Tasche ab. „Ich hab dafür einiges mit gebracht. Hast du Hunger?“
Als Kristin nickte, packte Brahve einiges von dem Essen aus, was er besorgt hatte, nahm ihre Hand und setzte sich mit ihr zusammen auf die Matraze.
Als du im Anwesen warst, hast du meine... also ich meine, bist du jemandem begegnet?“
Brahve wusste, dass sie zuerst nach ihren Eltern hatte fragen wollen, aber dass sie das so noch immer nicht aussprechen konnte. „Ich bin nur meinen Eltern begegnet. Aber ich habe ihnen gesagt, dass es dir gut geht und dass du im Moment niemanden sonst sehen willst.“
Danke.“ sagte sie leise. „Hast du... war dein Vater wütend auf dich?“
Wütend ist gar kein Ausdruck.“ Brahve verzog das Gesicht leicht. „Aber ich habe ihm gesagt, dass ich mich entschieden habe. Dass ich mich entschieden habe, zu dir zu gehen, bei dir zu bleiben und auf meinen Titel zu verzichten!“

Kristin sprang erschrocken auf, sah Brahve mit weit geöffneten Augen an. „Du hast... was? Aber... nein! Brahve, das kannst du nicht tun! Schon gar nicht wegen... wegen... mir.“ Der Gedanke, dass er wegen ihr so weit gegangen war, wärmte sie von innen heraus, aber auf der anderen Seite konnte sie das nicht einfach so zu lassen.
Brahve stand ebenfalls auf, wirkte völlig ruhig, aber so entschlossen, wie Kristin ihn noch nie zu vor erlebt hatte. Mit beiden Händen griff er nach ihren, hielt sie fest in seinen und sah sie ernst an. „Kristin, noch nie habe ich mich einfach nur für das entschieden, was ich wirklich will. Noch nie war ich mir sicher, was ich überhaupt will. Bis heute. Der Titel hat mir nie etwas bedeutet und er war eigentlich immer nur eine Last für mich. Ich bin kein Prinz und vielleicht werde ich auch nie König sein... Vielleicht bin ich ein Krieger, jedenfalls gebe ich mir große Mühe, einer zu werden. Aber... was ich sein will ist... an deiner Seite!“
In ihren Augen würde Brahve so wohl ein guter König werden, als auch ein guter Krieger, aber vermutlich würde er das zur Zeit ohnehin nicht wirklich hören wollen. Worte fielen ihr in diesem Moment ohnehin nicht ein und so ließ sie sich einfach in seine Arme sinken, wollte diesen vertrauten, starken Körper spüren, wollte, dass er sie festhielt.
Und Brahve hielt sie fest. Er brauchte zwar nicht noch mal eine Bestätigung dafür, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte, aber das Gefühl, wenn er sie in seinen Armen hielt war nur noch mal die beste Bestätigung, die er sich vorstellen konnte.
Als Kristin ihren Kopf leicht anhob, trafen sich ihre Blicke. Ihre hellen blauen Augen faszinierten ihn, fesselten ihn. Er schien mit seinen Blicken ihr Gesicht zu streicheln. Schließlich blieb sein Blick an ihren Lippen hängen, die nie einladener auf ihn gewirkt hatten als in diesem Moment. Er konnte nicht widerstehen, musste sie jetzt unbedingt spüren, musste wissen, wie sich ihre Lippen unter seinen anfühlten. Und so senkte er seinen Kopf langsam, so dass sie noch die Gelegenheit hatte, ihm vielleicht auszuweichen und legte seine Lippen dann vorsichtig auf ihre. Sie fühlten sich warm und weich an. Und so als würde er kleine Stromschläge auf seinen Lippen spüren, als er sie küsste.
Sie erwiderte den Kuss leicht, konnte gar nicht anders als ihn zu erwidern. Noch nie hatte sie so etwas empfunden wie in diesem Moment. Ihre Lippen brannten unter seinen, die so unglaublich zärtlich waren, so warm... so perfekt, wenn sie auf ihren lagen.
Obwohl Brahves Körper nach mehr schrie, ihm klar war, dass er jetzt - nachdem er sie einmal geküsst hatte, er einmal wusste, wie es sich anfühlte, wie sie schmeckte - süchtig nach ihr war, zog er sich von ihr zurück. Er wollte sie auf keinen Fall überfordern, wusste außerdem, dass sie heute bereits so viel durch gemacht hatte und das wollte er auf keinen Fall ausnutzen. Ihre innerliche Auffuhr hatte er bereits vorher die ganze Zeit spüren können. Er streichelte ihr leicht über die Wange und zog sie wieder mit zur Matratze.
Kristin hätte auf der einen Seite am liebsten protestiert, weil er damit aufhörte, sie zu küssen, aber auf der anderen Seite, war sie ihm unglaublich dankbar dafür, dass er nicht noch weiter gegangen war. An diesem Tag war die durch so viele unterschiedlichste Emotionen gegangen, hatte diese noch nicht mal ansatzweise verarbeitet. Und deswegen war sie froh darüber, dass Brahve es ihr ermöglichte, etwas zur Ruhe zu kommen, indem er sich mit ihr zusammen auf die Matratze legte, die Kissen und Decken, die er mitgebracht hatte so platzierte, dass sie bequem lag und sie fest in seinen Armen hielt.

Mittwoch, 25. April 2012

Chapter 26


Recht schnell wurde Brahve klar, dass er nicht weiter kommen würde, wenn er blind nach da draußen ging und nach ihr suchte, obwohl er auch die komplette Stadt auf den Kopf gestellt hätte um sie zu finden. Es gab nur eine einzige andere Möglichkeit, die ihm noch einfiel, wie er sie vielleicht schneller finden konnte. Einen Vorteil, den er gegenüber den anderen Brüder hatte, aber von dem er nicht wusste, ob er diesen auch zu einem echten Vorteil nutzen konnte. Immerhin hatte er es noch nie ausprobiert.
Er überlegte, wer ihm dabei helfen konnte, dass er seine Gabe wirklich richtig einsetzen konnte. Es musste jemand sein, dem er vertraute und von dem er glaubte, dass er diese Gabe verstehen konnte. Als erstes dachte er an V, der immerhin selber eine recht ungewöhnliche Gabe hatte, aber mit V konnte er kaum reden ohne sein geheimes Training zu verbergen. Und außerdem war V zu eng mit Rhage befreundet und somit wusste Brahve nicht genau, wie er das sehen würde, wenn er auf eigene Faust versuchen wollte, nach Kristin zu suchen. Also entschied er sich für Payne, von der wusste, dass sie als V's Zwillingsschwester eine ähnliche Gabe hatte wie V selber und seitdem sie mit ihm trainierte, genoss sie seinen vollen Respekt und sein Vertrauen.

Wie er fast erwartet hatte, traf er Payne im Trainingsraum an. Manchmal fragte er sich, wie viel Zeit sie genau dort verbrachte, aber sie schien immer völlig durch trainiert zu sein, aber nie sah man ihr wirklich viel Anstrengungen an, auch nach stundenlangem Training. „Ich brauche deine Hilfe.“ platzte es sofort aus ihm heraus, als er zu ihr trat.
Payne drehte sich zu ihm um, zog ihre Augenbrauen leicht hoch. „Nicht so schnell, Kleiner. Dafür, dass du noch grün hinter den Ohren bist, bist du aber ganz schön fordernd.“ grinste sie. Als sie daraufhin von Brahve allerdings keinerlei Regung sah, wurde sie ernst. „Okay, was ist denn passiert? Was das Training angeht, hälst du dich gut. Wir können das Training mit dem Dolch noch ein wenig ausbauen.“ sagte sie.
Darum geht es nicht. Kristin ist weg. Und ich... muss sie finden. Ich weiß, dass niemand mich beim Suchen helfen lassen wird, aber ich muss sie finden. Und ich glaube, das könnte ich auch.“ sagte er.
Und wie meinst du, dass du das könntest? Brahve, du hast zwar wirklich Fortschritte gemacht, aber ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee ist, das alles schon in der Praxis zu probieren.“ gab Payne zu bedenken.
Ich habe eine... Gabe. Ich weiß nicht so genau, ob ich es so nennen soll. Ich habe davon noch nie jemandem erzählt. Weil ich selber nicht weiß, was genau das ist, warum ich das so kann und wie ich es nutzen kann.“ sprach Brahve nun etwas aus, was er schon seit so vielen Jahren mit sich rum getragen hatte.
Was für eine Gabe? Du musst mir schon ein bißchen was mehr darüber erzählen. Egal, was es ist!“ sagte Payne ernst.
Ich kann Gefühle anderer spüren. Aber ich kann sie nicht wirklich filtern, weiß nicht von wem genau sie kommen und warum ich bei manchen etwas spüren kann und bei anderen nicht. Ich... ich frage mich, ob ich es vielleicht auf jemanden bestimmten filtern kann. Wenn ich... wenn ich mich zum Beispiel auf Kristins Gefühle konzentrieren kann, dann kann ich diesen vielleicht folgen.“ Brahve presste seine Lippen fest aufeinander. „Okay, ich weiß, dass sich das wahrscheinlich ziemlich dumm anhören muss, aber es bleibt mir nicht gerade viel, was ich tun kann.“ sagte er dann leise.
Payne schüttelte den Kopf. „So dumm klingt das für mich nicht mal. Nur ist das Dumme, dass du mir bisher noch nie davon erzählt hast. Sonst hätten wir vielleicht zusammen üben können, hätten trainieren können, dass du das wirklich gezielt einsetzen kannst.“
Ich hab mich nicht getraut darüber zu sprechen.“ gab er zu.
Unsinn. Du solltest wissen, dass du das bei mir kannst!“ Sie stieß Brahve leicht in die Seite, hoffte, dass es ihr gelingen würde, ihn wieder ein wenig aufzulockern. „Aber okay... versuchen wir es. Was fühle ich denn im Moment? Konzentrier dich auf mich!“ sagte sie und sah ihn eindringlich mit ihren silbrigen Augen an.
Brahve atmete tief durch. Zunächst fühlte er überhaupt nichts. So was hatte er noch nie gemacht und er fragte sich wirklich, wieso er geglaubt hatte, dass so etwas funktionieren könnte. Aber dann... plötzlich waren die Gefühle ziemlich klar da. So klar, dass er sie fast greifen konnte. „Du bist überrascht. Entschlossen.“ sagte er leise.
Nicht schlecht. Allerdings weiß ich nicht genau, ob das jetzt so schwer war, zu filtern. Dass mich deine Neuigkeiten überrascht haben, war vorauszusehen.“ gab Payne zu bedenken.

Probier es mit mir.“ Qhuinn trat aus einer Ecke des Trainingsraumes. „Ich bin längst nicht mehr überrascht wegen dem, was du gerade erzählt hast. Und keine Angst, ich werde es bestimmt nicht verraten!“ sagte er und lief richtig zu den Beiden.
Du bist unmöglich Qhuinn. Aber gut... wo du schon hier bist und alles gehört hast... versuch es mit Qhuinn.“ nickte Payne Brahve zu.
Diesmal war es wirklich etwas schwerer, weil Qhuinns Gefühle nicht so offen lagen wie die von Payne in dem Moment zu vor. Es dauerte etwas, bis Brahve soweit war, zu erkennen, woran Qhuinn wohl gerade dachte und bis er dessen Gefühle wahrnehmen konnte. „Du... bist... erregt. Voller Vorfreude. Dann ist da noch Vertrauen. Und Wärme.“ Als Brahve seine Augen wieder öffnete, verzog er leicht das Gesicht. „Bitte aber keine Bilder dazu!“ mahnte er, weil ihm klar war, dass Qhuinn gerade an Blay gedacht hatte. Nur er würde diese Gefühle wohl in ihm auslösen.
Keine Angst. Das behalte ich für mich. Aber, du bist nicht schlecht, Kleiner. Wenn es nach mir geht, kannst du es versuchen. Aber... Blay und ich werden uns in deiner Nähe aufhalten. Alleingänge gibt es nicht, okay?“ sagte er ernst, sah kurz zu Payne, die nur leicht nickte um zu zeigen, dass sie mit Qhuinns Entscheidung einverstanden war.
Okay, keine Alleingänge.“ nickte Brahve.


Die Wohnung oder besser gesagt das kleine Zimmer wirkte absolut trostlos, kalt und unpersönlich und ihre Instinkte sagten ihr, dass sie von hier verschwinden sollte, so lange sie noch konnte, aber dennoch unterschrieb sie den Vertrag. Etwas anderes konnte sie sich nicht leisten und es gab nichts und niemanden, wo sie sonst hin konnte. Zurück ins Anwesen ging einfach nicht, dafür saß die Enttäuschung bei Kristin einfach zu tief. Sie wünschte sich, ihre leibliche Mutter wäre wenigstens nicht tot, obwohl sie sich sagen konnte, dass es nicht so gewesen war, dass diese sie nicht gewollt hatte, sie nur nicht hatte bei ihr bleiben können, weil sie gestorben war.
Sie schloß die Tür hinter sich ab und versuchte, es sich hier einigermaßen gemütlich zu machen. Ihr fehlte allerdings die Wärme. Die vertraute Nähe von... Brahve. So sehr sie sich auch wünschte, dass das nicht mehr so wäre, nach dem was sie gesehen hatte, aber Brahve war einfach etwas... tiefer gehendes.
Zitternd rollte sie sich auf der kleinen und unbequemen Matratze zusammen, vergrub ihr Gesicht in ihr Kissen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie hatte keine Ahnung für wie lange sie sich dieses Zimmer leisten konnte, keine Ahnung, was sie danach tun sollte. Und vor allem war sie einfach nur... alleine. In dieser Welt gab es wohl keinen Platz für sie. Sie war Niemand. Sie hatte Niemanden.
Die Stimme, die zu ihr gesprochen hatte, als sie gedacht hatte, dass sie im Schleier war, geisterte durch ihren Kopf. Das musste ein Irrturm gewesen sein. Es gab hier nichts mehr, was sie noch zu tun hatte. Sie hätte sterben sollen. Dann wäre sie wenigstens in dem Wissen gestorben, dass ihre Welt noch in Ordnung war und nicht auf Lügen aufgebaut gewesen war.

Brahve stand in Kristin Zimmer und hatte die Augen geschlossen. Ihr Duft, der ihn an einen angenehmen Sommerabend erinnerte, schien alles zu überlagen, so dass es ihm nicht gelingen wollte, hier auch noch etwas anderes wahrzunehmen. Er zwang sich jedoch, jetzt nicht schon sofort aufzugeben. Einmal in seinem Leben musste er stark sein und ein Vorhaben auch wirklich zu Ende bringen. Kristin war irgendwo alleine da draußen und er konnte nicht zu lassen, dass ihr etwas passierte. Nicht noch einmal.
Gerade als er einen schwachen Anstrum ihrer Gefühle wahrnehmen konnte, der allerdings bereits genügte um ihm das Herz zu zerreissen, hörte er eine scharfe Stimme hinter sich.
Was machst du im Zimmer meiner Tochter?“ Rhage stand im Türrahmen, die Arme in die Hüften gestemmt und sah ihn wenig begeistert an.
Brahve atmete tief durch. „Ich... will auch helfen, sie zu finden.“ sagte er und wünschte, seine Stimme würde etwas sicherer klingen.
Ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee ist. Du solltest dich da wirklich raushalten.“
Egal, was du sagst, ich werde mich NICHT daraus halten.“ zischte Brahve.
Dann werde ich eben mit Wrath reden. Und dann wirst du dich raushalten müssen.“
Ich habe keine Angst vor meinem Vater. Und es ist mir egal, ob er es mir verbieten wird.“ sagte Brahve und hielt dem Blick des Kriegers stand.

Rhage schüttelte nur seinen Kopf, drehte sich um und ging. Vermutlich um mit Wrath zu reden. Aber Brahve hatte es ernst gemeint, dass er sich nicht davon würde abhalten lassen. Nicht dieses Mal. Nicht bei Kristin.
Seine Entschlossenheit schien ihm zu helfen, sich wieder auf Kristins Gefühle zu konzentrieren und er nahm ihre Verzweiflung und Enttäuschung wieder war, hatte Angst davor, dass sie daran zerberechen würde, so stark wie diese Gefühle waren. Er folgte dieser Spur durch das Anwesen und verließ dieses durch die Vordertür. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr und sah Qhuinn und Blay hinter sich, beide entschlossen, das zu tun, was Qhuinn angekündigt hatte – ihm zu folgen.
In der Stadt wurde es weit schwerer ihren Gefühlen zu folgen. Zu sehr mischten sich hier die unterschiedlichsten Gefühle und hin und wieder hatte Brahve das Gefühl, dass diese ihn von ihnen zerreissen würden. Sein Kopf schmerzte und er fühlte sich geschwächt, wollte aber jetzt auf keinen Fall aufgeben, nicht sicher, ob es ihm überhaupt gelingen würde, Kristins Spur überhaupt noch mal so weit zu verfolgen.
Plötzlich hatte er das Gefühl, dass es in seinem Inneren vibrieren würde und er wusste, dass es daran lag, dass er Kristin näher kam. Die Gefühle verstärkten sich in der Straße, durch die er lief und er versuchte, dieser Vibration zu folgen. Die Gegend gefiel ihm überhaupt nicht und er hoffte fast ein wenig, dass er sich irrte und Kristin sich nicht hier aufhielt. Vor einem Haus blieb er aber stehen, sein Körper gesteuert von der Vibration in seinem Kopf.
Qhuinn und Blay, die sich die ganze Zeit über wirklich zurück gehalten hatten, traten nun neben ihn. „Wenn du in dieses Haus gehst, dann sei vorsichtig, okay? Wir lassen dich alleine gehen, aber nur weil wir denken, dass Kristin am ehesten dich sehen will und an sich ranlassen würde. Aber die Gegend hier... das gefällt mir gar nicht!“ sagte Qhuinn.
Wir sichern das Haus so lange von außen. Es würde mich nicht wundern, wenn hier irgendwo Lesser hausen würden.“ fügte Blay hinzu.
Brahve nickte. Ein ähnliches Gefühl hatte er auch. Aber dann musste er erst recht da rein gehen... „Ich gehe rein.“
Pass ja auf deinen Arsch auf. Wrath schickt uns irgendwohin ins Exil, wenn wir dich nicht in einem Teil wieder zurück bringen.“ mahnte Qhuinn noch mal.
Als Brahve das Haus betrat, schlug ihm sofort stickige Luft entgegen. Das Treppenhaus war düster, Licht schien es in diesem nicht zu geben. Dreckig war es außerdem. Noch immer hoffte ein Teil in ihm, dass er sich irrte, während der andere Teil ihn zielsicher zu einer Tür im zweiten Stock führte. Er hob seine Hand und klopfte an dieser, hielt den Atem leicht an. Was, wenn Kristin ihm jetzt nicht öffnen wollte? Oder wenn sie sich weigern würde mit ihm zu sprechen? Sein Kopf dröhnte von den negativen Gefühlen, die in diesem Haus herrschten und er hatte fast ein wenig Angst, dass diese ihn ganz einnehmen würden.


Kristin schreckte hoch, als es an ihrer Tür klopfte. Sie zögerte sehr lange, ob sie aufmachen sollte. Wer sollte hier schon zu ihr kommen? Niemand wusste, dass sie hier war. Aber derjenige schien offenbar nicht weg zu gehen. Also stand sie auf, wischte sich über die brennenden, rot geweinten Augen und lief zur Tür, die sie nur einen Spalt öffnete, aber sofort erstarrte. „Brahve...“ murmelte sie schwach.
Kristin!“ Erleichterung stieg in Brahve auf, gemischt mit Sorge und schlechtem Gewissen, als er deutlich ihre Tränen riechen konnte.
Du... du... hättest nicht her kommen sollen.“ stamelte sie, nicht sicher, was sie davon halten sollte, dass er jetzt hier war.
Lass mich rein. Bitte.“ Sein Kopf drohte zu platzen und er war sich nicht mal bewusst, wie schmerzverzerrt sein Gesicht war.
Letzteres brachte Kristin auch dazu die Tür zu öffnen und ihn ins Zimmer zu ziehen. „Was ist mit dir, Brahve?“ fragte sie und die echte Besorgnis in ihrer Stimme traf ihn völlig unvorbereitet.
Es... hat mich viel Kraft gekostet, her zu finden. Mein Kopf ist überflutet mit Gefühlen.“ murmelte er.
Kristin drückte ihn auf die Matratze, blieb selber stehen, unschlüssig, was sie nun tun sollte. „Warum bist du hier? Haben meine... hat Rhage... dich geschickt?“ Es tat ihr fast selber weh, sich so zu verbessern, aber zur Zeit konnte sie kaum von Rhage und Mary als ihren Eltern sprechen.

Brahve schüttelte schwach den Kopf. „Nein. Ich sollte nicht nach dir suchen, aber ich musste. Ich... kann dich nicht im Stich lassen. Nicht... noch mal. Und ich... muss wissen... ob das, was du gesehen hast, irgendetwas zwischen uns ändert.“ Bei den letzten Worten gelang es ihm nicht, sie anzusehen.
Es dauerte einen Moment bis Kristin überhaupt etwas dazu sagte. „Ich wünschte, es würde nichts ändern. Ich weiß es aber nicht. Ich meine... wenn es das ist, was du willst, dann... dann... ich kann das nicht.“
Erschrocken sah er sie an. „Was? Aber, so ist es nicht, Kristin. Es ist nicht so, dass ich das so will. Schon gar nicht, wenn es um dich geht. Ich hasse diese Seite an mir. Ich verliere völlig die Kontrolle über mich, über meinen Körper. Ich vermeide es so lange wie möglich mich zu nähren, weil ich Angst habe, dass es wieder passiert. Ich schäme mich dafür. Und schon gar nicht wollte ich, dass du das mit ansehen musst. Und deswegen... weg läufst.“
Kristin konnte spüren, dass Brahve sich wirklich schämte. Und sie wollte es glauben, dass das nicht das war, was er wollte. Es überraschte sie allerdings zu hören, dass er glaubte, sie wäre wegen ihm weggelaufen. „Ich bin nicht wegen dem weggelaufen. Jedenfalls... nicht nur.“ sagte sie leise.
Es war Brahve wahnsinnig schwer gefallen über seine Scham zu sprechen, aber er musste es ihr gegenüber unbedingt loswerden. Ihre Worte jedoch hatten sofort seine Aufmerksamkeit. „Nicht? Aber... was ist passiert?“ wollte er wissen. „Du kannst mit mir reden. Ich weiß, dass du unsicher bist wegen dem, was du gesehen hast, aber... ich bin immer noch der Brahve, den du kennst.“ versuchte er ihr zu sagen.
Noch immer ein wenig zögerlich ließ Kristin sich auf der Matratze neben ihm nieder. Sie wollte allerdings darüber sprechen, musste darüber sprechen. Vor allem musste sie mit ihm darüber sprechen. Die letzten Stunden, die sie alleine verbracht hatte und sich in ihren Gedanken verloren hatte, waren schwer genug zu ertragen gewesen. Die Einsamkeit und das Gefühl mit all dem ganz alleine zu sein, war das Schlimmste von allem gewesen, noch schlimmer als das Gefühl verraten worden zu sein.
Ich... ich hab gehört, wie meine M... wie Mary sich mit Marissa unterhalten hat. Darüber, dass Butch mir Blut gegeben hat, weil Mary es nicht konnte. Sie... sie haben darüber geredet, ob sie mir nicht doch die... Wahrheit sagen sollten.“ platzte es aus ihr heraus und sie hörte wieder jedes einzelne Wort des Gespräches. „Meine Mutter... meine richtige Mutter... ist tot! Und niemand wollte mir je etwas davon sagen!“
Brahve vergass seine Kopfschmerzen. Vergass seine Scham und seine Zweifel ob das jetzt zwischen ihnen stehen würde und schenkte ihr stattdessen seine volle Aufmerksamkeit. „Was? Aber... wie... wie kann das sein?“ murmelte er.

Dunkel erinnerte er sich an seine Kindheit. Er wusste noch, dass er mit Nalla beim Spielen Kristin gefunden hatte, aber er hatte als kleines Kind nie Fragen gestellt, warum das so gewesen war, hatte nicht verstanden, was das vielleicht zu bedeuten hatte. Er hatte es immer nur so gesehen, dass sie Rhages und Marys Tochter war und etwas anderes hatte man nie zu ihm gesagt.
Ich... ich... scheinbar ist meine Mutter gestorben und hat mich Rhage hinterlassen. Rhage und Mary haben mich dann als ihre... Tochter aufgenommen.“ sagte sie leise. „Brahve, ich hatte mein ganzes Leben lang das Gefühl, ich gehöre nirgendwohin. Zu niemandem. Und jetzt... weiß ich auch warum. Weil alles gelogen war.“
Brahve wollte ihr so viel sagen. Ihr sagen, dass nicht ALLES gelogen war. Die Liebe von Rhage und Mary zu ihr war echt, Tatsache ob Mary ihre Mutter war oder nicht hin oder her. Aber er wusste, dass sie ihm nicht zu hören würde im Moment. Dafür klang sie viel zu bitter, viel zu enttäuscht. Dennoch wollte er versuchen, sie irgendwie zu trösten, ärgerte sich ein wenig darüber zu unbeholfen zu sein, was das anging.
Vorsichtig legte Brahve einen Arm um ihre Schultern, nicht sicher ob sie das zu lassen würde oder ob er all seine Privilegien verspielt hatte, was Berührungen anging. Allerdings ließ sie es zu, lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. Mit seinen Finger spielte er sanft in den lockigen Spitzen ihrer Haare.
Das ist nicht wahr, Kristin.“ sagte er leise. Sein Atem striff beim Sprechen ihre Wange und es fühlte sich an, als würde er sie zärtlich streicheln. „Du gehörst nicht zu Niemandem. Du... gehörst zu... mir.“ sprach er zum ersten Mal aus, was eine Stimme in ihm schon seit Wochen immer wieder sagte. Und es fühlte sich richtig an, fühlte sich echt an.
Kristins Herz blieb für einen Moment stehen nur um gleich darauf in viel zu schnellem Rhythmus wieder zu schlagen begann. „Aber... was... was willst du damit sagen? Brahve... ich kann nicht mehr zurück ins Anwesen. Nicht im Moment. Und du, du...“
Ich bleibe hier.“ unterbrach er sie entschieden.
Aber du... bist der Prinz. Du kannst nicht einfach weg. Und mit mir in diesem... diesem Drecksloch hier leben.“ stotterte sie.
Doch, das kann ich. Und das werde ich auch. Ich werde nachher noch mal zurück ins Anwesen gehen und was zum Anziehen und ein paar nützliche Sachen holen, die wir hier brauchen könnten. Aber dann werde ich bei dir bleiben. Und nichts wird mich davon abbringen. Auch du nicht.“ Noch immer spielte er in ihren Haaren, hielt sie fest an sich gedrückt.
Seine Nähe beruhigte sie. Und dass er bei ihr bleiben wollte, war fast schon zu schön um wahr zu sein. Sie schloß ihre Augen und ließ es zu, dass sie für den Moment nichts anderes mehr spürte, als nur seine Nähe, dass sie alles andere vergessen konnte. „Dann bleib bei mir.“ flüsterte sie leise.
Für immer.“ antwortete er ohne zu zögern.

Dienstag, 24. April 2012

Chapter 25


Zum ersten Mal seit dem Angriff, fühlte Kristin sich stark genug, um wirklich aufzustehen und das Zimmer zu verlassen. Sie freute sich, dass sie eine Dusche nehmen konnte, sich etwas stylen konnte und zog sich dann recht lockere Klamotten an, bevor sie ihr Zimmer verließ und zunächst ein wenig durch das Anwesen lief. Recht schnell jedoch zog es sie zu Brahves Zimmer, wollte sehen, ob er da war und ob er vielleicht Zeit dafür hatte, etwas mit ihr zu machen.
Schon als sie sich Brahves Zimmer näherte, dessen Tür nur leicht angelehnt war, hatte sie kein gutes Gefühl, konnte aber auch nicht einfach umdrehen und gehen. Sie wollte nachsehen, ob es Brahve gut ging, musste einfach sicher gehen.
Als sie die Tür ganz öffnete, erstarrte sie komplett. Sie war gerade in dem Moment dazu gekommen, als Brahve sich knurrend über die Auserwählte beugte und deren Robe zerriss. Sie presste eine Hand vor ihren Mund, entsetzt von dem, was sie gerade zu sehen zu bekommen. Ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen, so dass sie sich kein Stück von der Stelle bewegte, auf dieses schreckliche Bild vor sich starrte. Nie hatte sie geglaubt, dass Brahve zu so etwas fähig wäre.

Brahve wusste nicht genau, was es war, das ihn in seinen Bewegungen stoppen ließ. Instinkt vielleicht. Das Wissen, dass gerade etwas überhaupt nicht stimmte. Er zwang sich, seine Lippen von der Wunde an Ravenas Hals zu lösen und drehte seinen Kopf leicht, sein Körper noch tief in Ravenas versunken.
Kristin erstarrte erneut, stolperte ein paar Schritte zurück, als ihre Beine ihr wenigstens halbwegs wieder gehorchen wollten. Der Ausdruck in Brahves Augen war wild. Sie konnte ihn in diesem kaum noch erkennen. Seine Lippen waren blutverschmiert, seine Fänge weit ausgefahren. Nichts von dem, was sie sonst in ihm sah – ihrem beste Freund, der Person, die tiefer in ihrem Herz verwurzelt war, als sie gedacht hatte.
Ihr wurde bewusst, dass es bei dem, was sie vor sich sah um Blut ging. Um Sex. Beides Sachen, die sie Brahve so nicht geben konnte. Beim Zweiten wurde ihr leicht anders, aber offensichtlich hatte Brahve so gar nicht die Vorstellungen davon, die sie hatte und somit würde sie ihm nie das richtige geben können. Erneut presste sie ihre Hand vor den Mund und schaffte es dann, sich ganz umzudrehen und weg zu rennen.


Erst im Foyer stoppte Kristin, nachdem sie zu vor mehr oder weniger blind durch das Anwesen gestolpert war, nur weg von diesem Bild, das sie allerdings ohnehin verfolgte und wahrscheinlich auch verfolgen würde, egal wie viel Abstand sie zwischen sich und Brahve gebracht haben würde. Unsicher, wo sie jetzt hin sollte, sah sie sich um, hörte aus dem Wohnzimmer Stimmen und atmete erleichtert auf, als sie erkannte, dass eine davon die von ihrer Mutter war und steuerte auf das Zimmer zu, in der Hoffnung, dass die Nähe ihrer Mutter sie beruhigen würde, wie sie es eigentlich immer getan hatte.
Habt ihr es ihr denn jetzt gesagt? Also nachdem sie mit bekommen hat, dass es Butchs Blut war, was ihr geholfen hat und nicht deins?“
Marissas Stimme. Und ihre Worte ließen Kristin inne halten. Vor der Tür blieb sie stehen und hielt den Atem an, als sie auf die Antwort von ihrer Mutter wartete.
Nein, haben wir nicht. Rhage und ich... wir finden immer noch, dass wir es ihr nicht sagen sollen. Wir wollen nicht, dass sich irgendwas zwischen uns ändert.“ sagte Mary leise.
Kristin wurde noch mal mehr anders und verschiedenste Szenarien worum es bei diesem Gespräch ging, spielten sich vor ihrem Auge ab.
Das kann ich verstehen. Obwohl ich ja denke, sie ist und bleibt nun mal deine Tochter. Es gibt doch niemanden mehr, der sie dir wegnehmen kann.“ gab Marissa zu bedenken.
Ich weiß. Eigentlich weiß ich das ja auch. Manchmal fühle ich mich immer noch schlecht deswegen, dass ich irgendwie erleichtert darüber bin, dass ihre Mutter tot ist, dass sie nie vor der Tür stehen kann und mir Kristin wegnehmen kann.“
Kristin presste eine Hand vor ihren Mund. Wie viel sollte sie heute noch ertragen? Erst hatte es sie vollkommen erschüttert, welche Seite sie von Brahve zu vor hatte kennenlernen müssen und jetzt brach ihre heile Welt gerade vollkommen in sich zusammen. Sie konnte nicht fassen, was sie da gerade erfahren hatte. Ihr Herz fühlte sich so schwer an wie Blei, ihre Kehle wie zu geschnürt.

Einen Moment später stürzte sie ins Wohnzimmer, sah mit tränenverschleiertem Blick zu ihrer Mutter und ihrer Tante.
Kristin...“ Mary erstarrte, wurde blass. Sie brauchte nicht zu fragen ob Kristin gehört hatte, worüber Marissa und sie geredet hatten. „Schatz, ich...“
Hör auf damit. Hör auf damit, jetzt weiter so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Und als wäre ich dein Schatz!“ unterbrach Kristin sie überraschend hart.
Aber... lass uns darüber reden, hm?“ versuchte Mary es weiter.
NEIN!“ Kristin schüttelte den Kopf, starrte ihre Mutter einfach nur an. „Warum sollten wir jetzt reden, wo ihr mein ganzes Leben lang nicht wirklich mit mir geredet habt?“ Sie schluckte schwer. „Du freust dich darüber, dass meine... meine Mutter...“ Sie stockte leicht, es war nicht einfach, jetzt von ihrer Mutter als einer ihr völlig fremden Person zu sprechen. „... dass meine Mutter tot ist? Dann... weißt du jetzt ja, wie sich das anfühlen muss... du bist für mich nämlich jetzt auch tot!“ Noch nie hatte sie so mit Mary gesprochen, noch nicht mal ansatzweise so über sie gedacht und es zerriss ihr selber das Herz, dass sie das nun so tun musste. Länger würde sie es auf keinen Fall in diesem Zimmer aushalten, mit ihr in diesem Zimmer, ohne dass sie zusammen brechen würde und so drehte sie sich um und rannte aus dem Raum.
Kristin... warte!“ rief Mary ihr hilflos nach. Marissa legte ihr sanft eine Hand auf den Arm.
Es tut mir so leid, dass das passiert ist. Aber, du weißt, dass sie das nicht so gemeint hat, oder? Sie hat das nur gesagt, weil sie wütend und geschockt ist, wegen dem, was sie erfahren hat, aber sie hat es nicht so gemeint.“ versuchte sie Mary etwas zu beruhigen.
So... so... habe ich sie noch nie gesehen. Und sie ist doch eigentlich noch so schwach.“ murmelte Mary. „Ich... jetzt... habe ich sie wohl doch verloren.“
Nein. Das hast du nicht. Wenn sie sich beruhigt hat, dann werdet ihr in Ruhe über alles reden und dann sieht alles schon wieder ganz anders aus. Soll ich Rhage Bescheid sagen?“
Mary nickte schwach. Sie konnte Rhage jetzt wirklich gebrauchen, obwohl sie eine gewisse Angst davor hatte, dass Rhage ihr die Schuld dafür geben könnte, dass das eben passiert war.


Blind vor Wut, Verzweiflung und Enttäuschung stürmte Kristin in ihr Zimmer und riss eine Reisetasche aus ihrem Schrank, in die sie ziemlich wahllos einige Sachen schmiss. Unter keinen Umständen wollte sie jetzt in diesem Haus bleiben. Jetzt, wo die Menschen, die ihr am meisten bedeuteten sie am meisten enttäuscht hatten, gab es nichts mehr, was sie hier hielt.
Nachdem sie einiges eingepackt hatte, setzte sie sich an den Tisch in ihrem Zimmer und nahm ein Stück Papier um eine kurze Nachricht auf dieses zu schreiben, die sie an ihren Vater adressierte.
Ich kann nicht länger hier bleiben. Mach dir um mich keine Sorgen. Jetzt weiß ich wenigstens, warum ich mich immer so gefühlt habe, als würde ich nicht so wirklich hier her gehören. Ich habe nie wirklich hier her gehört. Ich muss jetzt meinen eigenen Platz finden.
Kristin.“
Nach kurzem Zögern nahm sie die Kette ab, die Mary ihr geschenkt hatte und legte sie auf den Zettel, auf dem sie die Nachricht geschrieben hatte und der mittlerweile deutliche Spuren ihrer Tränen aufwies. Die Kette von Brahve ließ sie um, obwohl sie im Moment nicht mal wirklich wusste, warum. Vielleicht weil sie noch nicht ganz so weit war um sich von allem auf einmal zu lösen, was ihr aus ihrem Leben noch blieb.
Sie nahm die Tasche, warf nicht noch mal einen Blick zurück in ihr Zimmer und verließ das Anwesen. Wohin genau sie gehen wollte, wusste sie nicht.

Eine so verzweifelte Mary hatte Rhage noch nie zu vor erlebt und wenn er ehrlich war, dann hatte er es auch nie erleben wollen. Es war nicht einfach, überhaupt etwas von dem zu verstehen, was sie sagte, wurde sie doch immer wieder von herzzereissendem Schluchzen unterbrochen und zitterte sie am ganzen Körper. Er versuchte so gut es ging sie zu halten, aber selbst seine Nähe schien sie nicht zu beruhigen.
Ich hab sie verloren.“ wiederholte sie zum bereits unzähligem Male.
Nein. Das glaub ich nicht. Es war ein Schock für sie. Und sie wird verletzt sein. Verwirrt. Enttäuscht. Aber wenn ihr erster Schock vorbei ist, dann wird sie mit uns sprechen. Ganz sicher.“ Auch er hatte das jetzt schon mehrfach wiederholt, wollte selber wirklich daran glauben, was er sagte.
Sie... hat gesagt, ich bin tot für sie.“ murmelte Mary.
Shhhht... ich werde jetzt nach ihr sehen und werde versuchen, mit ihr zu reden.“ Rhage küsste ihr sanft auf die Stirn und lief dann zum Zimmer seiner Tochter.

Dass sie auf sein Klopfen nicht antwortete beunruhigte ihn zunächst nicht wirklich. Er nahm an, dass sie zur Zeit allgemein niemanden sehen würde und ihn vermutlich erst recht nicht. Nach mehrmaligem Versuchen und einigen Minuten des Wartens betrat er schließlich ihr Zimmer. Auch als er dieses leer vorfand, versuchte er, noch einigermaßen ruhig zu bleiben. Kristin konnte sich auch woanders auf dem Anwesen zurück gezogen haben.
Sein Blick wanderte durch das Zimmer, suchte nach Anzeichen, wo er Kristin finden könnte. Schließlich entdeckte er den Zettel auf dem Bett und er ging mit viel zu schnell schlagendem Herzen zu diesem und griff mit etwas zittrigen Händen danach. Bereits nach den ersten Worten musste er kurz die Augen schließen, schüttelte immer wieder mit dem Kopf. Das hier musste einfach nur ein böser Alptraum sein.
Rhage ballte die Hände zu Fäusten. Das hier war so viel schlimmer als in seinen schlimmsten Alpträumen. „NEIN!“ schrie er, so laut, dass vermutlich jeder im Anwesen gehört hatte.
Kurz darauf stürzte auch schon Mary ins Zimmer. „Sie ist weg.“ murmelte sie leise.

Schwach nickte Rhage und hielt seine Arme auf, damit sie zu ihm kommen konnte und sie beide gemeinsam ihrer Verzweiflung freien Lauf lassen konnte. Mary flüchtete sich in seine Arm, nahm die Kette, die Kristin zurück gelasen hatte in ihren zittrigen Hände und presste sie fest an sich. „Sie... sie ist doch unser... unser Baby. Ich weiß, ich habe vielleicht kein Recht das zu sagen, weil es meine Schuld ist...“
„Nein, Mary.“ Rhage schlang seine Arme noch fester um den zierlichen Körper seiner Frau. „Du hast jedes Recht dazu, zu sagen, du bist ihre Mutter. Und das weißt du auch. Kristin... Kristin... wird das auch noch heraus finden.“ murmelte er, auch wenn ihm diese Worte alles andere als leicht fielen. Zu groß war seine Angst um seine Tochter, die jetzt ganz alleine irgendwo da draußen war. Immerhin hatte sie gerade erst einen Angriff der Lesser überlebt...
Rhage? Kristin ist nicht so schwach, wie du vielleicht denkst.“ Vishous Stimme riss Rhage aus seinen Gedanken. „Wir werden sie finden und ihr wird nichts passieren. Vielleicht musste das passieren, damit sie zu sich selber findet. Wenn sie das Gefühl hatte, nicht dazu zu gehören, braucht sie so was vielleicht.“ V's Stimme war völlig ruhig, seine Worte voller Logik.
Hab ich schon mal gesagt, dass ich hasse, wenn du so redest und dabei auch noch recht hast? Bei Kristin denke ich aber nicht ganz so logisch.“ murmelte Rhage.
Ich weiß. Und dafür hast du ja uns. Wir werden auch nach ihr suchen.“ Als Rhage seinen Kopf hob sah er neun Männer vor dem Zimmer auf dem Flur stehen. Die Brüder. Und alle wirkten entschlossen, ihm zu helfen.


Bis Brahve aus seiner Starre wieder erwachte, dauerte es einen Moment. Das hier schien ihm so unreal zu sein. Er hatte Ravena gerufen, weil er Angst davor gehabt hatte, Kristin vielleicht zu verletzten, Angst davor, dass sie seiner wilden, gefährlichen Seite vielleicht zu nahe kommen würde und jetzt hatte er sie genau damit verletzt. Niemand hätte ihn je so sehen dürfen. Und erst recht nicht Kristin. Vor allem nicht Kristin. Angewidert von sich selber, zog er sich endgültig von Ravena zurück und reichte ihr ein Shirt, dass sie sich überziehen konnte. Längst war jegliche Lust auf Sex bei ihm vergangen. Schnell verschloß er noch ihre Wunden und tastete nach einem Tuch um sich das Blut von den Lippen und aus dem Gesicht zu wischen. Er hatte zwar keine Ahnung, was er ihr sagen sollte, aber er musste mit Kristin reden, musste ihr erklären, dass das hier alles nichts mit ihnen zu tun hatte. Dass das nicht der wahre Brahve war, was sie da eben gesehen hatte. Der wahre Brahve war er nur bei ihr. Würde es immer nur bei ihr sein.
Er stolperte, als er hastig ein paar Sachen zusammen suchte, die er sich überziehen konnte. Nackt konnte er ganz sicher nicht gegenüber treten.
Brahve? Herr?“
Als er die Stimme der Auserwählten hörte, zuckte er zusammen. Er hatte schon fast vergessen, dass sie auch noch hier war und stöhnte genervt auf. „Ravena, danke. Du kannst jetzt gehen.“ sagte er nur knapp. „Ich muss was erledigen!“ Kaum hatte er das gesagt, verließ er auch schon sein Zimmer.
Als Brahve sich Kristins Zimmer näherte und die versammelte Bruderschaft auf dem Flur stehen sah, wusste er sofort, dass etwas ganz schlimmes passiert sein musste. Er hielt ein wenig Abstand, wusste, dass er schließlich nicht zu den Brüdern gehörte und sie ihn somit auch nicht in ihre Planung einbeziehen würde. Er schnappte einige Gespächsfetzen auf, in denen es darum ging, dass sie Kristin finden musste, spürte außerdem verschiedene Gefühle... Verzweifung... auf der anderen Seite Entschlossenheit.
Aus all dem kombinierte Brahve, dass Kristin verschwunden war und das zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Sie war sein Halt. Er brauchte sie, um sich nicht selber zu verlieren. Da er wusste, dass man ihn nicht fragen würde, ob er suchen helfen würde und dass man ihn auch nicht mitnehmen würde, wenn er danach fragen würde, stand für ihn fest, dass er selber nach ihr suchen musste. Immerhin war es seine Schuld, dass sie gegangen war und er würde sie finden! Er musste einfach!