Recht
schnell wurde Brahve klar, dass er nicht weiter kommen würde,
wenn er blind nach da draußen ging und nach ihr suchte, obwohl
er auch die komplette Stadt auf den Kopf gestellt hätte um sie
zu finden. Es gab nur eine einzige andere Möglichkeit, die ihm
noch einfiel, wie er sie vielleicht schneller finden konnte. Einen
Vorteil, den er gegenüber den anderen Brüder hatte, aber
von dem er nicht wusste, ob er diesen auch zu einem echten Vorteil
nutzen konnte. Immerhin hatte er es noch nie ausprobiert.
Er
überlegte, wer ihm dabei helfen konnte, dass er seine Gabe
wirklich richtig einsetzen konnte. Es musste jemand sein, dem er
vertraute und von dem er glaubte, dass er diese Gabe verstehen
konnte. Als erstes dachte er an V, der immerhin selber eine recht
ungewöhnliche Gabe hatte, aber mit V konnte er kaum reden ohne
sein geheimes Training zu verbergen. Und außerdem war V zu eng
mit Rhage befreundet und somit wusste Brahve nicht genau, wie er das
sehen würde, wenn er auf eigene Faust versuchen wollte, nach
Kristin zu suchen. Also entschied er sich für Payne, von der
wusste, dass sie als V's Zwillingsschwester eine ähnliche Gabe
hatte wie V selber und seitdem sie mit ihm trainierte, genoss sie
seinen vollen Respekt und sein Vertrauen.
Wie
er fast erwartet hatte, traf er Payne im Trainingsraum an. Manchmal
fragte er sich, wie viel Zeit sie genau dort verbrachte, aber sie
schien immer völlig durch trainiert zu sein, aber nie sah man
ihr wirklich viel Anstrengungen an, auch nach stundenlangem Training.
„Ich brauche deine Hilfe.“ platzte es sofort aus ihm heraus, als
er zu ihr trat.
Payne
drehte sich zu ihm um, zog ihre Augenbrauen leicht hoch. „Nicht so
schnell, Kleiner. Dafür, dass du noch grün hinter den Ohren
bist, bist du aber ganz schön fordernd.“ grinste sie. Als sie
daraufhin von Brahve allerdings keinerlei Regung sah, wurde sie
ernst. „Okay, was ist denn passiert? Was das Training angeht, hälst
du dich gut. Wir können das Training mit dem Dolch noch ein
wenig ausbauen.“ sagte sie.
„Darum
geht es nicht. Kristin ist weg. Und ich... muss sie finden. Ich weiß,
dass niemand mich beim Suchen helfen lassen wird, aber ich muss sie
finden. Und ich glaube, das könnte ich auch.“ sagte er.
„Und
wie meinst du, dass du das könntest? Brahve, du hast zwar
wirklich Fortschritte gemacht, aber ich weiß nicht, ob es so
eine gute Idee ist, das alles schon in der Praxis zu probieren.“
gab Payne zu bedenken.
„Ich
habe eine... Gabe. Ich weiß nicht so genau, ob ich es so nennen
soll. Ich habe davon noch nie jemandem erzählt. Weil ich selber
nicht weiß, was genau das ist, warum ich das so kann und wie
ich es nutzen kann.“ sprach Brahve nun etwas aus, was er schon seit
so vielen Jahren mit sich rum getragen hatte.
„Was
für eine Gabe? Du musst mir schon ein bißchen was mehr
darüber erzählen. Egal, was es ist!“ sagte Payne ernst.
„Ich
kann Gefühle anderer spüren. Aber ich kann sie nicht
wirklich filtern, weiß nicht von wem genau sie kommen und warum
ich bei manchen etwas spüren kann und bei anderen nicht. Ich...
ich frage mich, ob ich es vielleicht auf jemanden bestimmten filtern
kann. Wenn ich... wenn ich mich zum Beispiel auf Kristins Gefühle
konzentrieren kann, dann kann ich diesen vielleicht folgen.“ Brahve
presste seine Lippen fest aufeinander. „Okay, ich weiß, dass
sich das wahrscheinlich ziemlich dumm anhören muss, aber es
bleibt mir nicht gerade viel, was ich tun kann.“ sagte er dann
leise.
Payne
schüttelte den Kopf. „So dumm klingt das für mich nicht
mal. Nur ist das Dumme, dass du mir bisher noch nie davon erzählt
hast. Sonst hätten wir vielleicht zusammen üben können,
hätten trainieren können, dass du das wirklich gezielt
einsetzen kannst.“
„Ich
hab mich nicht getraut darüber zu sprechen.“ gab er zu.
„Unsinn.
Du solltest wissen, dass du das bei mir kannst!“ Sie stieß
Brahve leicht in die Seite, hoffte, dass es ihr gelingen würde,
ihn wieder ein wenig aufzulockern. „Aber okay... versuchen wir es.
Was fühle ich denn im Moment? Konzentrier dich auf mich!“
sagte sie und sah ihn eindringlich mit ihren silbrigen Augen an.
Brahve
atmete tief durch. Zunächst fühlte er überhaupt
nichts. So was hatte er noch nie gemacht und er fragte sich wirklich,
wieso er geglaubt hatte, dass so etwas funktionieren könnte.
Aber dann... plötzlich waren die Gefühle ziemlich klar da.
So klar, dass er sie fast greifen konnte. „Du bist überrascht.
Entschlossen.“ sagte er leise.
„Nicht
schlecht. Allerdings weiß ich nicht genau, ob das jetzt so
schwer war, zu filtern. Dass mich deine Neuigkeiten überrascht
haben, war vorauszusehen.“ gab Payne zu bedenken.
„Probier
es mit mir.“ Qhuinn trat aus einer Ecke des Trainingsraumes. „Ich
bin längst nicht mehr überrascht wegen dem, was du gerade
erzählt hast. Und keine Angst, ich werde es bestimmt nicht
verraten!“ sagte er und lief richtig zu den Beiden.
„Du
bist unmöglich Qhuinn. Aber gut... wo du schon hier bist und
alles gehört hast... versuch es mit Qhuinn.“ nickte Payne
Brahve zu.
Diesmal
war es wirklich etwas schwerer, weil Qhuinns Gefühle nicht so
offen lagen wie die von Payne in dem Moment zu vor. Es dauerte etwas,
bis Brahve soweit war, zu erkennen, woran Qhuinn wohl gerade dachte
und bis er dessen Gefühle wahrnehmen konnte. „Du... bist...
erregt. Voller Vorfreude. Dann ist da noch Vertrauen. Und Wärme.“
Als Brahve seine Augen wieder öffnete, verzog er leicht das
Gesicht. „Bitte aber keine Bilder dazu!“ mahnte er, weil ihm klar
war, dass Qhuinn gerade an Blay gedacht hatte. Nur er würde
diese Gefühle wohl in ihm auslösen.
„Keine
Angst. Das behalte ich für mich. Aber, du bist nicht schlecht,
Kleiner. Wenn es nach mir geht, kannst du es versuchen. Aber... Blay
und ich werden uns in deiner Nähe aufhalten. Alleingänge
gibt es nicht, okay?“ sagte er ernst, sah kurz zu Payne, die nur
leicht nickte um zu zeigen, dass sie mit Qhuinns Entscheidung
einverstanden war.
„Okay,
keine Alleingänge.“ nickte Brahve.
Sie
schloß die Tür hinter sich ab und versuchte, es sich hier
einigermaßen gemütlich zu machen. Ihr fehlte allerdings
die Wärme. Die vertraute Nähe von... Brahve. So sehr sie
sich auch wünschte, dass das nicht mehr so wäre, nach dem
was sie gesehen hatte, aber Brahve war einfach etwas... tiefer
gehendes.
Zitternd
rollte sie sich auf der kleinen und unbequemen Matratze zusammen,
vergrub ihr Gesicht in ihr Kissen und ließ ihren Tränen
freien Lauf. Sie hatte keine Ahnung für wie lange sie sich
dieses Zimmer leisten konnte, keine Ahnung, was sie danach tun
sollte. Und vor allem war sie einfach nur... alleine. In dieser Welt
gab es wohl keinen Platz für sie. Sie war Niemand. Sie hatte
Niemanden.
Die
Stimme, die zu ihr gesprochen hatte, als sie gedacht hatte, dass sie
im Schleier war, geisterte durch ihren Kopf. Das musste ein Irrturm
gewesen sein. Es gab hier nichts mehr, was sie noch zu tun hatte. Sie
hätte sterben sollen. Dann wäre sie wenigstens in dem
Wissen gestorben, dass ihre Welt noch in Ordnung war und nicht auf
Lügen aufgebaut gewesen war.
Brahve
stand in Kristin Zimmer und hatte die Augen geschlossen. Ihr Duft,
der ihn an einen angenehmen Sommerabend erinnerte, schien alles zu
überlagen, so dass es ihm nicht gelingen wollte, hier auch noch
etwas anderes wahrzunehmen. Er zwang sich jedoch, jetzt nicht schon
sofort aufzugeben. Einmal in seinem Leben musste er stark sein und
ein Vorhaben auch wirklich zu Ende bringen. Kristin war irgendwo
alleine da draußen und er konnte nicht zu lassen, dass ihr
etwas passierte. Nicht noch einmal.
Gerade
als er einen schwachen Anstrum ihrer Gefühle wahrnehmen konnte,
der allerdings bereits genügte um ihm das Herz zu zerreissen,
hörte er eine scharfe Stimme hinter sich.
„Was
machst du im Zimmer meiner Tochter?“ Rhage stand im Türrahmen,
die Arme in die Hüften gestemmt und sah ihn wenig begeistert an.
Brahve
atmete tief durch. „Ich... will auch helfen, sie zu finden.“
sagte er und wünschte, seine Stimme würde etwas sicherer
klingen.
„Ich
glaube nicht, dass das eine so gute Idee ist. Du solltest dich da
wirklich raushalten.“
„Egal,
was du sagst, ich werde mich NICHT daraus halten.“ zischte Brahve.
„Dann
werde ich eben mit Wrath reden. Und dann wirst du dich raushalten
müssen.“
„Ich
habe keine Angst vor meinem Vater. Und es ist mir egal, ob er es mir
verbieten wird.“ sagte Brahve und hielt dem Blick des Kriegers
stand.
Rhage
schüttelte nur seinen Kopf, drehte sich um und ging. Vermutlich
um mit Wrath zu reden. Aber Brahve hatte es ernst gemeint, dass er
sich nicht davon würde abhalten lassen. Nicht dieses Mal. Nicht
bei Kristin.
Seine
Entschlossenheit schien ihm zu helfen, sich wieder auf Kristins
Gefühle zu konzentrieren und er nahm ihre Verzweiflung und
Enttäuschung wieder war, hatte Angst davor, dass sie daran
zerberechen würde, so stark wie diese Gefühle waren. Er
folgte dieser Spur durch das Anwesen und verließ dieses durch
die Vordertür. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr
und sah Qhuinn und Blay hinter sich, beide entschlossen, das zu tun,
was Qhuinn angekündigt hatte – ihm zu folgen.
In
der Stadt wurde es weit schwerer ihren Gefühlen zu folgen. Zu
sehr mischten sich hier die unterschiedlichsten Gefühle und hin
und wieder hatte Brahve das Gefühl, dass diese ihn von ihnen
zerreissen würden. Sein Kopf schmerzte und er fühlte sich
geschwächt, wollte aber jetzt auf keinen Fall aufgeben, nicht
sicher, ob es ihm überhaupt gelingen würde, Kristins Spur
überhaupt noch mal so weit zu verfolgen.
Plötzlich
hatte er das Gefühl, dass es in seinem Inneren vibrieren würde
und er wusste, dass es daran lag, dass er Kristin näher kam. Die
Gefühle verstärkten sich in der Straße, durch die er
lief und er versuchte, dieser Vibration zu folgen. Die Gegend gefiel
ihm überhaupt nicht und er hoffte fast ein wenig, dass er sich
irrte und Kristin sich nicht hier aufhielt. Vor einem Haus blieb er
aber stehen, sein Körper gesteuert von der Vibration in seinem
Kopf.
Qhuinn
und Blay, die sich die ganze Zeit über wirklich zurück
gehalten hatten, traten nun neben ihn. „Wenn du in dieses Haus
gehst, dann sei vorsichtig, okay? Wir lassen dich alleine gehen, aber
nur weil wir denken, dass Kristin am ehesten dich sehen will und an
sich ranlassen würde. Aber die Gegend hier... das gefällt
mir gar nicht!“ sagte Qhuinn.
„Wir
sichern das Haus so lange von außen. Es würde mich nicht
wundern, wenn hier irgendwo Lesser hausen würden.“ fügte
Blay hinzu.
Brahve
nickte. Ein ähnliches Gefühl hatte er auch. Aber dann
musste er erst recht da rein gehen... „Ich gehe rein.“
„Pass
ja auf deinen Arsch auf. Wrath schickt uns irgendwohin ins Exil, wenn
wir dich nicht in einem Teil wieder zurück bringen.“ mahnte
Qhuinn noch mal.
Als
Brahve das Haus betrat, schlug ihm sofort stickige Luft entgegen. Das
Treppenhaus war düster, Licht schien es in diesem nicht zu
geben. Dreckig war es außerdem. Noch immer hoffte ein Teil in
ihm, dass er sich irrte, während der andere Teil ihn zielsicher
zu einer Tür im zweiten Stock führte. Er hob seine Hand und
klopfte an dieser, hielt den Atem leicht an. Was, wenn Kristin ihm
jetzt nicht öffnen wollte? Oder wenn sie sich weigern würde
mit ihm zu sprechen? Sein Kopf dröhnte von den negativen
Gefühlen, die in diesem Haus herrschten und er hatte fast ein
wenig Angst, dass diese ihn ganz einnehmen würden.
Kristin
schreckte hoch, als es an ihrer Tür klopfte. Sie zögerte
sehr lange, ob sie aufmachen sollte. Wer sollte hier schon zu ihr
kommen? Niemand wusste, dass sie hier war. Aber derjenige schien
offenbar nicht weg zu gehen. Also stand sie auf, wischte sich über
die brennenden, rot geweinten Augen und lief zur Tür, die sie
nur einen Spalt öffnete, aber sofort erstarrte. „Brahve...“
murmelte sie schwach.
„Kristin!“
Erleichterung stieg in Brahve auf, gemischt mit Sorge und schlechtem
Gewissen, als er deutlich ihre Tränen riechen konnte.
„Du...
du... hättest nicht her kommen sollen.“ stamelte sie, nicht
sicher, was sie davon halten sollte, dass er jetzt hier war.
„Lass
mich rein. Bitte.“ Sein Kopf drohte zu platzen und er war sich
nicht mal bewusst, wie schmerzverzerrt sein Gesicht war.
Letzteres
brachte Kristin auch dazu die Tür zu öffnen und ihn ins
Zimmer zu ziehen. „Was ist mit dir, Brahve?“ fragte sie und die
echte Besorgnis in ihrer Stimme traf ihn völlig unvorbereitet.
„Es...
hat mich viel Kraft gekostet, her zu finden. Mein Kopf ist überflutet
mit Gefühlen.“ murmelte er.
Kristin
drückte ihn auf die Matratze, blieb selber stehen, unschlüssig,
was sie nun tun sollte. „Warum bist du hier? Haben meine... hat
Rhage... dich geschickt?“ Es tat ihr fast selber weh, sich so zu
verbessern, aber zur Zeit konnte sie kaum von Rhage und Mary als
ihren Eltern sprechen.
Brahve
schüttelte schwach den Kopf. „Nein. Ich sollte nicht nach dir
suchen, aber ich musste. Ich... kann dich nicht im Stich lassen.
Nicht... noch mal. Und ich... muss wissen... ob das, was du gesehen
hast, irgendetwas zwischen uns ändert.“ Bei den letzten Worten
gelang es ihm nicht, sie anzusehen.
Es
dauerte einen Moment bis Kristin überhaupt etwas dazu sagte.
„Ich wünschte, es würde nichts ändern. Ich weiß
es aber nicht. Ich meine... wenn es das ist, was du willst, dann...
dann... ich kann das nicht.“
Erschrocken
sah er sie an. „Was? Aber, so ist es nicht, Kristin. Es ist nicht
so, dass ich das so will. Schon gar nicht, wenn es um dich geht. Ich
hasse diese Seite an mir. Ich verliere völlig die Kontrolle über
mich, über meinen Körper. Ich vermeide es so lange wie
möglich mich zu nähren, weil ich Angst habe, dass es wieder
passiert. Ich schäme mich dafür. Und schon gar nicht wollte
ich, dass du das mit ansehen musst. Und deswegen... weg läufst.“
Kristin
konnte spüren, dass Brahve sich wirklich schämte. Und sie
wollte es glauben, dass das nicht das war, was er wollte. Es
überraschte sie allerdings zu hören, dass er glaubte, sie
wäre wegen ihm weggelaufen. „Ich bin nicht wegen dem
weggelaufen. Jedenfalls... nicht nur.“ sagte sie leise.
Es
war Brahve wahnsinnig schwer gefallen über seine Scham zu
sprechen, aber er musste es ihr gegenüber unbedingt loswerden.
Ihre Worte jedoch hatten sofort seine Aufmerksamkeit. „Nicht?
Aber... was ist passiert?“ wollte er wissen. „Du kannst mit mir
reden. Ich weiß, dass du unsicher bist wegen dem, was du
gesehen hast, aber... ich bin immer noch der Brahve, den du kennst.“
versuchte er ihr zu sagen.
Noch
immer ein wenig zögerlich ließ Kristin sich auf der
Matratze neben ihm nieder. Sie wollte allerdings darüber
sprechen, musste darüber sprechen. Vor allem musste sie mit ihm
darüber sprechen. Die letzten Stunden, die sie alleine verbracht
hatte und sich in ihren Gedanken verloren hatte, waren schwer genug
zu ertragen gewesen. Die Einsamkeit und das Gefühl mit all dem
ganz alleine zu sein, war das Schlimmste von allem gewesen, noch
schlimmer als das Gefühl verraten worden zu sein.
„Ich...
ich hab gehört, wie meine M... wie Mary sich mit Marissa
unterhalten hat. Darüber, dass Butch mir Blut gegeben hat, weil
Mary es nicht konnte. Sie... sie haben darüber geredet, ob sie
mir nicht doch die... Wahrheit sagen sollten.“ platzte es aus ihr
heraus und sie hörte wieder jedes einzelne Wort des Gespräches.
„Meine Mutter... meine richtige Mutter... ist tot! Und niemand
wollte mir je etwas davon sagen!“
Brahve
vergass seine Kopfschmerzen. Vergass seine Scham und seine Zweifel ob
das jetzt zwischen ihnen stehen würde und schenkte ihr
stattdessen seine volle Aufmerksamkeit. „Was? Aber... wie... wie
kann das sein?“ murmelte er.
Dunkel
erinnerte er sich an seine Kindheit. Er wusste noch, dass er mit
Nalla beim Spielen Kristin gefunden hatte, aber er hatte als kleines
Kind nie Fragen gestellt, warum das so gewesen war, hatte nicht
verstanden, was das vielleicht zu bedeuten hatte. Er hatte es immer
nur so gesehen, dass sie Rhages und Marys Tochter war und etwas
anderes hatte man nie zu ihm gesagt.
„Ich...
ich... scheinbar ist meine Mutter gestorben und hat mich Rhage
hinterlassen. Rhage und Mary haben mich dann als ihre... Tochter
aufgenommen.“ sagte sie leise. „Brahve, ich hatte mein ganzes
Leben lang das Gefühl, ich gehöre nirgendwohin. Zu
niemandem. Und jetzt... weiß ich auch warum. Weil alles gelogen
war.“
Brahve
wollte ihr so viel sagen. Ihr sagen, dass nicht ALLES gelogen war.
Die Liebe von Rhage und Mary zu ihr war echt, Tatsache ob Mary ihre
Mutter war oder nicht hin oder her. Aber er wusste, dass sie ihm
nicht zu hören würde im Moment. Dafür klang sie viel
zu bitter, viel zu enttäuscht. Dennoch wollte er versuchen, sie
irgendwie zu trösten, ärgerte sich ein wenig darüber
zu unbeholfen zu sein, was das anging.
Vorsichtig
legte Brahve einen Arm um ihre Schultern, nicht sicher ob sie das zu
lassen würde oder ob er all seine Privilegien verspielt hatte,
was Berührungen anging. Allerdings ließ sie es zu, lehnte
ihren Kopf gegen seine Schulter. Mit seinen Finger spielte er sanft
in den lockigen Spitzen ihrer Haare.
„Das
ist nicht wahr, Kristin.“ sagte er leise. Sein Atem striff beim
Sprechen ihre Wange und es fühlte sich an, als würde er sie
zärtlich streicheln. „Du gehörst nicht zu Niemandem.
Du... gehörst zu... mir.“ sprach er zum ersten Mal aus, was
eine Stimme in ihm schon seit Wochen immer wieder sagte. Und es
fühlte sich richtig an, fühlte sich echt an.
Kristins
Herz blieb für einen Moment stehen nur um gleich darauf in viel
zu schnellem Rhythmus wieder zu schlagen begann. „Aber... was...
was willst du damit sagen? Brahve... ich kann nicht mehr zurück
ins Anwesen. Nicht im Moment. Und du, du...“
„Ich
bleibe hier.“ unterbrach er sie entschieden.
„Aber
du... bist der Prinz. Du kannst nicht einfach weg. Und mit mir in
diesem... diesem Drecksloch hier leben.“ stotterte sie.
„Doch,
das kann ich. Und das werde ich auch. Ich werde nachher noch mal
zurück ins Anwesen gehen und was zum Anziehen und ein paar
nützliche Sachen holen, die wir hier brauchen könnten. Aber
dann werde ich bei dir bleiben. Und nichts wird mich davon abbringen.
Auch du nicht.“ Noch immer spielte er in ihren Haaren, hielt sie
fest an sich gedrückt.
Seine
Nähe beruhigte sie. Und dass er bei ihr bleiben wollte, war fast
schon zu schön um wahr zu sein. Sie schloß ihre Augen und
ließ es zu, dass sie für den Moment nichts anderes mehr
spürte, als nur seine Nähe, dass sie alles andere vergessen
konnte. „Dann bleib bei mir.“ flüsterte sie leise.
„Für
immer.“ antwortete er ohne zu zögern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen