Samstag, 14. April 2012

Chapter 20

Mary, es ist nicht deine Schuld.“ Rhage legte seiner Shellan eine Hand auf die Schulter, sah sie traurig an. Er wünschte sich, er selber konnte etwas tun und hasste erneut dieses Gefühl der völligen Hilflosigkeit.
Doch. Rhage... ich... wenn ich Kinder bekommen könnte, dann...“
Sein Finger legte sich vorsichtig an ihre Lippen. „Shhhht. Nicht. Wenn du Kinder bekommen könntest, dann hätte Kristin einen Bruder oder eine Schwester. Vielleicht sogar zwei. Aber Kristin würde es trotzdem geben.“ erinnerte er sie daran, dass er das Kind nicht bekommen hatte, weil sie ihm keine schenken konnte, sondern es bereits unwissend gezeugt hatte, als er sie noch nicht mal gekannt hatte.
Mary wusste, dass er damit recht hatte, aber in dieser Situation gab es nicht wirklich etwas, was sie wirklich beruhigt hätte. „Kann man testen, ob... mein Blut... trotzdem passt?“ wollte sie wissen, ihre Stimme dabei kaum zu verstehen.
Jane nickte. „Ja, Ehlena kann dir Blut abnehmen und wir können das sofort feststellen.“ antwortete sie.
Sie wusste, dass sie nicht viele Optionen hatten, wenn Marys Blut nicht passen würde. Kristins leibliche Mutter war tot. Sie war damals selber dabei gewesen, als Vishous Rhage und Mary über die Ergebnisses einer Recherchen informiert hatte. Anscheinend hatte Kristins Mutter eine unheilbare Krankheit gehabt, hatte gewusst, dass sie kurz davor stand zu sterben und hatte ihre Tochter deswegen an Rhage übergeben.
Da Jane dabei gewesen war, wusste sie auch, wie Mary auf diese Neuigkeiten reagiert hatte. Einerseits mit Erleichterung. Erleichterung darüber, dass niemand ihr dieses Kind, was sie nun als ihr eigenes betrachtete wieder wegnehmen konnte, dass niemand mehr ein Recht darauf hatte. Und auf der anderen Seite war sie traurig darüber gewesen, dass Kristin nie die Chance haben würde, ihre leibliche Mutter kennenzulernen. Damals hatten sie auch alle einstimming beschlossen, Kristin nie etwas von dem allen zu erzählen, eben einfach, weil ihr diese Chance genommen wurde und weil sie es alle für besser hielten, sie würde Mary als ihre leibliche Mutter ansehen.
Ruf Butch an. Wenn Marys Blut nicht passt, ist er eine der wenigen anderen Möglichkeiten, die wir noch haben.“ sagte sie zu ihrem Hellren.
Vishous nickte, sein Handy bereits in der Hand. Bevor er jedoch die Nummer wählte, wendete er sich an Brahve. „Ich seh mir gleich dein Bein an. Du solltest Ravena rufen, du musst dich nähren.“ sagte er.

Obwohl er eigentlich wirklich keine Lust hatte, jetzt die Auserwählte zu rufen, die ihn und Aghony zur Zeit nährte und die ihm durch seine Transition geholfen hatte, wusste Brahve, dass Vishous recht hatte. Er brauchte Blut. Und da seine Mutter noch immer neben ihm saß und er sie nicht weiter beunruhigen wollte, gab er ausnahmsweise klein bei. „Ja, ich werde sie rufen. Wenn... wenn feststeht, dass wir Blut für Kristin haben.“ Vorher war er noch nicht bereit von hier weg zu gehen und er wollte nicht vor so vielen Anwesenden von Ravena trinken. Niemand sollte sehen, was passieren konnte, wenn er sich von diesem Blutrausch tragen ließ, der ihn meistens ergriff, wenn er sich nährte.

Auch Vishous verzichtete jetzt darauf, eine Diskussion mit Brahve zu beginnen und wählte nun Butchs Nummer.
V! Vermisst du schon meinen sexy Hintern oder was gibt es?“ grinste Butch, als er an sein Handy ging.
Ich wünschte, das wäre der Grund, warum ich dich anrufe, Cop.“ sagte Vishous leise, wünschte sich, es wäre wirklich nur das.
Daran, wie Vishous Stimme klang, erkannte Butch sofort, dass der Grund von V's Anruf etwas ernstes war. Dafür kannte er seinen besten Freund viel zu gut. „Okay, was ist passiert? In welchen Schwierigkeiten steckst du?“
Ich stecke nicht in Schwierigkeiten. Obwohl... eventuell... sollte das hier nicht gut ausgehen, stecken wir wohl alle in Schwierigkeiten.“ sagte er ernst.
Was ist passiert? Spuck es schon aus, ich kann damit umgehen!“
Butch, du musst deinen Arsch sofort zum Anwesen bewegen. Wir brauchen dein Blut?“
Ihr braucht was? Wollt ihr mich jetzt alle aussagen, oder was geht bei euch ab?“
Vishous seufzte, er wünschte sich, er könnte auf diese Scherze eingehen. „Kristin wurde bei einem Lesserangriff schwer verletzt. Sie braucht Blut und Jane sagt, sie braucht menschliches Blut und da ein Teil von dir Mensch ist... Komm einfach her und lass uns testen, ob dein Blut passt.“ beendete er seinen Satz.
Sofort wurde nun auch Butch ernst. „Bin schon auf dem Weg. Geschwindigkeitsbegrenzungen kenne ich nicht.“ Mit den Worten legte er auf.


Mary, dein Blut passt leider nicht. Es tut mir leid.“ sagte Ehlena mit ruhiger Stimme.
Mary presste eine Hand vor ihren Mund, jetzt ernsthaft verzweifelt. „Lielan, Butch... Butch wird ihr vielleicht helfen können.“ klammerte Rhage sich an dieser kleinen Hoffnung fest und legte ihr seine Hand auf ihre Schulter.
Können wir... also können wir so lange zu ihr? Ich will nicht, dass sie so alleine ist.“ fragte Mary, ihr Blick leer, so als würde sie durch alle hindurch sehen.
Ja, wartet ruhig bei ihr. Sobald Butch da ist, testen wir sein Blut und sagen euch Bescheid.“ nickte Jane den beiden Eltern zu.
Rhage führte seine zitternde Frau an das Krankenbett ihrer Tochter, die mittlerweile an etliche Geräte und Schläuche angeschlossen war und völlig regungslos da lag. Schwach ließ Mary sich auf den Stuhl daneben sinken.
Das... das darf doch alles nicht sein. Es muss alles nur ein böser Traum sein. Sie ist doch fast noch ein Kind.“ schluchzte sie.
Schlimmer noch. Sie ist MEIN Kind. Und ich hab sie alleine da raus gelassen, wusste nicht mal, wo sie ist, hätte sie nicht beschützen können.“ murmelte Rhage völlig am Ende.
Mary sah auf in das Gesicht des Mannes, den sie mehr als ihr Leben liebte. „Rhage... du kannst sie nicht immer beschützen, nicht vor allem und jedem.“
Das weiß ich. Das ist gerade das Schlimme. Seitdem sie bei uns ist, habe ich Angst davor, dass irgendwann unsere Feinde diesen Schwachpunkt nutzen werden. Vielleicht hätte sie ein besseres Leben geführt, wenn sie nie... also nie... hier her gekommen wäre. Vielleicht bin ich nicht der richtige Vater für sie.“
Wütend stand Mary auf. Ihre Verzweiflung ließ sie ohnehin schon nicht mehr allzu klar denken und Rhage jetzt auch noch so reden zu hören, brachten die dünnen Fäden, die ihre Vernunft noch zusammen hielten zum Reißen.
Ihre Ohrfeige traf Rhage völlig unerwartet und ließ ihn ein Stück zurück taumeln. „Rhage, ich will dich nie wieder so etwas sagen hören. Nie wieder! Nicht wenn unsere Tochter gerade im Sterben liegt! Du bist der einzige Vater, denn sie kennt und du bist der beste Vater, den sie sich wünschen könnte! Hör auf so zu reden!“ schrie sie ihn an.
Zitternd griff Rhage nach der Hand, die ihn zu vor noch an der Wange getroffen hatte und zog Mary daran zu sich. „Du... du hast ja... recht. Vermutlich bin ich einfach nur verzweifelt. Weil ich nicht gewohnt bin, nichts tun zu können. Ich bin ein Krieger, aber es gibt nichts und niemanden, was ich bekämpfen kann. Außer die Wut auf mich selber.“ Er verzog sein Gesicht leicht. „Vielleicht sollte ich Brahve den Hals umdrehen, dafür, dass er überhaupt mit ihr raus gegangen ist. Ohne jemandem zu sagen, wohin.“
Lass den Jungen besser in Ruhe, ich glaube, er macht sich schon Vorwürfe genug.“ sagte Mary, jetzt etwas leiser, jetzt wo sie sah, dass es bei Rhage die gleiche Verzweiflung war wie die, die sie selber quälte, die ihn diese Dinge sagen ließ.
Zurecht.“ knurrte Rhage, schüttelte dann aber leicht mit dem Kopf. „Was tun wir hier eigentlich, Mary? Wir verschwenden hier unsere Kraft und Zeit darauf um uns zu streiten, anstatt alle Kraft, die wir haben unser Tochter zu geben.“ sagte leise.
Ja, du... du... hast recht.“ nickte Mary schwach.
Rhage setzte sich auf den Stuhl neben Kristins Bett und zog Mary auf seinen Schoß. Beide betrachteten nun ihre Tochter, hielten eine Hand von ihr, während sie ihre andere Hand mit der des anderen verschlungen hatten, sich an dieser festklammerten.


Butch betrat die Krankenstation und lief sofort auf Vishous zu, den Ärmel von seinem Shirt bereits hoch geschoben. „Testet mein Blut.“ sagte er nur, bereit dafür, alles zu tun, was man von ihm verlangen würde, um zu helfen.
Eine weitere quälende Viertelstunde verging, bis Jane endlich die Ergebnisse der Blutuntersuchung hat. „Butch, wenn du bereit wärst, dann können wir operieren.“
Rhage ließ vorsichtig die Hand seiner Tochter los, hob Mary von seinem Schoß und stand auf, drehte sich zu Butch um, sah ihn mit einem ernsten Gesichtsausdruck an. „Butch, wenn du das für mich... für uns... tun würdest, dann stehe ich mein Leben lang in deiner Schuld.“ sagte er leise.
Red keinen Unsinn. Ich bin bereit, Jane.“ sagte Butch, wirkte dabei vollkommen entschlossen.
Mary stand ebenfalls auf, lief zu Butch und umarmte dessen starken Körper. „Danke.“
Schon okay. Wir sind eine Familie und ich weiß, dass jeder von euch Brüdern das Gleiche für mich tun würde.“ Butch küsste Mary auf die Stirn und als er sich von ihr löste, umarmte auch Rhage ihn noch mal. „Trotzdem... Danke, Bruder.“
Nur widerwillig verabschiedeten Rhage und Mary sich von Kristin um nun wieder draußen zu warten, während Jane Kristin mit der Hilfe von Butchs Blut operieren würde.


Brahve? Gehst du dich jetzt nähren?“ fragte Beth leise. Rhage und Mary saßen mittlerweile wieder neben ihnen. Mary war erschöpft an der Schulter ihres Hellrens eingeschlafen. Qhuinn und Blay hatten sich geweigert zu gehen, wollten unbedingt da bleiben für den Fall, dass es irgendetwas gab, was sie noch tun konnten.
Und Brahve... Brahve starrte wieder regungslos auf die Tür zum Behandlungsraum.
Sein Zustand machte Beth wirklich Sorgen und sie hoffte, dass er sich wenigstens wie versprochen daran halten würde, dass er sich jetzt nähren würde.
Ja, Mom. Ich... werde nach oben gehen und Ravena rufen.“ Noch immer gefiel ihm der Gedanke, jetzt von hier wegzugehen nicht, aber er wusste, dass er hier ohnehin auch nichts anderes tun konnte als zu warten. Und aus dem Tonfall seiner Mutter konnte er echte Sorgen heraus hören, etwas was ihn wirklich dazu brachte, zu tun, was sie sagte.
Okay, ich werde auch wieder nach oben gehen, warten bis dein Vater nach Hause kommt.“ sagte sie.
An seinen Vater und was der zu dem allen hier sagen würde, konnte und wollte Brahve jetzt noch gar nicht denken. Er vermutete, er würde sich früh genug damit auseinander setzen müssen.
Beth gab ihrem Sohn noch einen Kuss auf die Wange, legte Rhage kurz eine Hand auf den Arm und lief dann ins Haupthaus. Auch Brahve machte sich auf den Weg zurück, rief dabei nach Ravena, damit er es möglichst schnell hinter sich bringen konnte.

Als Brahve sein Schlafzimmer betrat, saß Ravena, wie er gehofft hatte, schon auf seinem Bett, wartete auf ihn.
Ravena war eine typische Auserwählte. Sie diente Brahve und Aghony, wann immer sie sie brauchten. Sie hatte lange, dunkle, fast schwarze, seidige Haare, mandelbraune Augen und helle, weiche Haut. Haut so hell, dass sie schon fast weiß war und sich gegen ihre dunklen Haare besonders stark abhob. Ihre Figur war äußerst weiblich. Schlank aber Rundungen an den richtigen Stellen.
Brahve war sich darüber bewusst, dass Ravena eine gewisse Schwäche für ihn hatte, aber er hatte sie nie im Zweifel darüber gelassen, dass es für ihn nur um das Blut ging und ab und zu um den Sex, der damit verbunden war. Ohnehin konnte er sich nicht vorstellen, jemals eine Beziehung mit einer Auserwählten zu führen. Er wollte eine Frau, mit der auch reden konnte, streiten konnte, die nicht gleich bei allem nachgab und einbrechen würde.
Du hast mich gerufen?“ fragte Ravena, ihre Stimme wie immer leise und zurückhaltend.
Du kennst die Regeln. Kein Reden.“ gab Brahve zurück, klang dabei eiskalt.
Heute wollte Brahve alles einfach nur hinter sich bringen. „Leg dich aufs Bett.“ wies er an.

Ravena ließ sich in ihren anmutigen Bewegungen auf das Bett sinken, schob ihre Haare zur Seite und entblöste ihm ihren schlanken Hals.
In dem Moment, als Brahve sich über sie beugte, den Puls an ihrem Hals spüren konnte, als er mit seiner Zunge darüber fuhr, ihr Blut bereits riechen konnte, wusste er, dass er es nicht einfach nur so hinter sich bringen würde. Er konnte sich gegen diese Macht, diese Anziehungskraft, einfach nicht wehren, sein Körper gab sich dieser fast jedes Mal geschlagen.
Mit schnellen ungeduldigen Bewegungen entledigte er sich seiner Hose und seiner Boxershorts, stöhnte erleichtert auf, als seine Errektion nicht mehr länger gegen den Stoff der Hose gedrückt wurde.
Im nächsten Moment schob er ihre Robe mit etwas groben Handbewegungen hoch, bevor er seine Fänge in ihrem Hals versenkte und mit einem harten Stoß in sie eindrang. Die Kontrolle über sich hatte er längst verloren, er ließ sich voll und ganz von seinen vampirischen Instinkten leiten. Wie fast immer, wenn er sich von Ravena nährte.

Hinterher fühlte Brahve sich unglaublich schmutzig. Schuldig gegenüber Ravena, dafür, dass er wirklich alles andere als sanft zu ihr gewesen war, Kratzer auf ihrer zarten Haut hinterlassen hatte. Schuldig gegenüber Kristin, weil sie noch immer um ihr Leben kämpfte, während er sich seinem primitiven Verlangen hingab. Und schuldig gegenüber allen anderen, die zu seiner Familie und Freunden gehörten, weil er sein Leben einfach nicht auf die Reihe bekam.
Seitdem seine Kindheit vorrüber war, hatte Brahve schon oft mit dem Rücken zur Wand gestanden, war dieses Gefühl eigentlich längst gewohnt, aber diesmal war alles anders, weit tiefer gehender.
Hätte er trainiert, wäre dem gefolgt, was man ihnen im Training versuchte beizubringen, hätte er seine Waffen wie vorgeschrieben dabei gehabt, hätte er Kristin vielleicht retten können. Das glaubte er zumindest. Es so zu sehen, wie Qhuinn und Blay es dargestellt hatten – dass er Kristin gegen die Lesser verteidigt hatte, so gut es ihm überhaupt möglich war und dass er nicht mehr hätte tun können, wollte ihm einfach nicht gelingen.
Und das schlimmste war... was er jetzt am meisten wollte, war, sich einfach nur auf sein Bett legen... in den Armen von jemanden liegen, sich an den warmen, weichen Körper kuscheln. Bilder von Kristin tauchten vor seinem Auge auf und es gelang ihm nicht, diese zu verdrängen.
Kristin hatte gedacht, dass sie nicht gut genug für ihn wäre... in Wirklichkeit jedoch war es eher so, dass er nicht gut genug für sie war.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen