Donnerstag, 12. April 2012

Chapter 18

Kristins Schreie zerrissen Brahve innerlich. Noch nie hatte er es zu gelassen, dass die Wut ganz von ihm Besitz ergriff, aber nun war es ihm egal. Wild, blind und völlig von Sinnen, schlug er um sich, gelang irgendwie an das Messer des auf dem Boden liegenden Lessers und stach dann einfach nur zu, egal, was er treffen konnte.
Irgendwann ließ sein Körper ihn im Stich. Jetzt spürte er auch den stechenden Schmerz in seinem rechten Bein. Er biss sich auf die Lippen, sagte sich, dass er sich zusammen reissen musste. Langsam hob er seinen Kopf und versuchte, sich einen Überblick zu machen über die Situation. Überall um ihn herum war Blut. Schwarzes. Und rotes. Alle vier Lesser lagen leblos auf dem Boden, aber er wusste nicht sicher, ob sie alle tot waren.
Und dann blieb sein Herz stehen, als er die helle Bluse und das viele Blut sah. Kristin.

Brahve zog sich vorsichtig wieder auf die Beine, fluchte, als er feststellte, dass er nicht ohne Schmerzen im rechten Bein auftreten konnte und zog dann sein Handy aus der Tasche, als er sich in Kristins Richtung vorwärts arbeitete.
Lange überlegte er nicht, welche Nummer er wählen sollte und entschied sich dafür, denjenigen anzurufen, der mit am wenigsten Fragen stellen würde. Vor allem dazu, warum er mit Kristin zusammen unterwegs gewesen war.
Qhuinn?“
Hey Wrath Junior, was gibt’s?“ lachte Qhuinn am anderen Ende der Leitung, wohlwissend, dass Brahve es hasste, wenn man ihn so nannte.
Qhuinn... ich brauche... Unterstützung. Vier Lesser. Zwei Verletzte. Schnell.“ murmelte Brahve.
Sofort wurde Qhuinn ernst. „Sag mir, wo du bist. Blay und ich sind sofort da.“
Kaum, dass Brahve ihm seine Position genannt hatte, hatte Qhuinn auch schon aufgelegt und zwei Minuten, die Brahve wie eine Ewigkeit vorgekommen waren, materialisierten sich Qhuinn und Blay neben ihm.
Erfahren erfassten sie die Situation mit wenigen Blicken. „Wir sehen nach, ob sie alle tot sind und ob sie irgendwelche Papiere dabei haben.“ sagte Qhuinn und Blay und er kümmerten sich um die Körper der Lesser, die auf dem Boden lagen.
Brahve konnte nur nicken und ließ sich neben Kristin auf dem Boden sinken. Verzweifelt hob er eine Hand, hatte das Gefühl sie berühren zu müssen, wusste aber nicht wo, weil er nichts tun wollte, was ihr Schmerzen bereitete. Und da war so viel Blut. „Kristin... es tut mir so leid. Ich hätte dich beschützen müssen, aber ich hab... versagt. Es tut mir so leid.“ murmelte er immer wieder vor sich hin. „Du darfst nicht sterben. Du darfst mich nicht alleine lassen. Ohne dich habe ich niemanden hier.“ Was er sagte, war die erschreckende, nackte Wahrheit.
Erst, als er Salz auf den Lippen spürte, wusste er, dass er weinte. Die ersten Tränen, die er jemals vergossen hatte. „Es tut mir so leid.“ wiederholte er.
Bist zu verletzt? Brahve?“
Am Klang von Blays Stimme erkannte er, dass dieser ihm die Frage wohl schon mehr als nur ein mal gestellt hatte, aber erst jetzt drang sie zu ihm durch.
Nein. Ja. Aber das... das ist egal. Nur sie... ist wichtig. Sie darf nicht sterben. Es ist meine Schuld.“
Blay wechselte einen kurzen Blick mit Qhuinn. Worte waren nicht nötig, sie verstanden sich auch so. Sie wussten, dass Brahves Sicherheit und seine Gesundheit oberste Priorität hatten, auf Grund seiner Stellung, aber Kristins Verletzungen schienen ziemlich ernst zu sein, wenn man nach dem Blut ging, das sie verloren hatte.
Wir bringen euch jetzt ins Anwesen.“ sagte Qhuinn. „Sie wird nicht sterben.“ Er hoffte wirklich, dass er damit recht hatte.

Wieder wechselten Qhuinn und Blay einen Blick, wieder brauchten sie nichts zu sagen.
Ich werde fahren.“ sagte Blay an Brahve gerichtet und die beiden Vampire liefen zu ihm, um Kristin hoch zu heben und ins Auto zu bringen.
Bevor sie die Chance hatten, sie auch nur zu berühren, knurrte Brahve sie mit gefletschten Zähnen an.
Wenn du mich noch einmal anknurrst, dann...“ zischte Qhuinn wütend. Blay legte Qhuinn eine Hand auf die Schulter, als dieser kurz davor war, sofort auf Brahve loszugehen. Die Berührung schien Wunder zu wirken, denn Qhuinn atmete jetzt lediglich tief durch. „Es ist mir egal, dass du der Prinz oder sonst wer bist, aber hör auf mich anzuknurren. Du wirst jetzt deinen Arsch ins Auto bewegen und uns Kristin ins Auto tragen lassen. Alles andere klären wir später!“ befahl er so streng, dass er damit sogar zu Brahve durchdring, der nur noch von einem inneren Impuls gesteuert wurde, Kristin beschützen zu müssen.
Nachdem er wirklich ins Auto gestiegen war und sich auf die Rückbank gesetzt hatte, hoben Blay und Qhuinn Kristin so vorsichtig wie nur möglich hoch und trugen sie zum Auto, legten sie zu Brahve auf die Rückbank.
Blay und Qhuinn stiegen vorne ein und ohne sich noch irgendwie weiter aufzuhalten, startete Blay das Auto und fuhr in Richtung Anwesen.
In die Klinik zu Havers konnten sie in diesem Fall nicht, da Kristin nun mal noch menschlich war.
Kaum, dass sie gestartet waren, wählte Qhuinn eine Nummer mit seinem Handy.

Qhuinn, was gibt’s? Ich wusste gar nicht, dass Blay und du heute unterwegs seid?“
Wären wir auch eigentlich nicht. V, wir brauchen gleich dringend Jane. Wir bringen Kristin und Brahve, beide verletzt, sie schwer!“ antwortete Qhuinn und konnte spüren, wie sofort Bewegung in Vishous kam.
Ich sag ihr Bescheid. Wir erwarten euch. Geht nicht durch die Halle, sondern kommt gleich unten durchs Trainingszentrum rein.“ Nicht mal Ansatzweise wollte Vishous sich vorstellen, was passieren würde, sollte Rhage durch Zufall mitbekommen, wie Blay und Qhuinn eine verletzte Kristin durch die Halle ins Haus bringen würden.
Gut, in zehn Minuten sind wir da.“ sagte Qhuinn noch, bevor er auflegte.

Die ersten Minuten der Autofahrt bekam Brahve nicht mal wirklich richtig mit. Er sah nur verschwommen und wieder dauerte es einen Moment, dass es Tränen waren, die seinen Blick verschleierten. Kristins Kopf lag in seinen Schoß gegebettet und so lange er sie so bei sich spüren konnte, wollte er einfach nicht glauben, dass sie wirklich sterben konnte, dass sie ihn wirklich hier alleine lassen konnte. Das durfte einfach nicht sein.
Bitte... du kannst mich hier nicht alleine lassen. Es tut mir so leid. Und es ist alles meine Schuld. Ich habe versagt.“ murmelte er jetzt wieder, während er mit einer Hand durch ihre Haare streichelte.
Qhuinn beobachtete Brahve im Rückspiegel. Er konnte die Verzweiflung des jungen Vampirs verstehen. Dass die Situation ernst wahr, stand außer Frage. Nur hätte er gerne gewusst, warum Brahve sich selber die Schuld daran gab, vermutete aber, dass der ihm jetzt nicht wirklich zu hören würde. Dennoch versuchte er es.
Brahve, es waren vier Lesser. Du warst alleine und so gut wie unbewaffnet.“ gab er zu bedenken, sprach dabei ruhig und ohne jegliche Schuldzuweisung.
Ich hab sie nicht richtig beschützt. Ich bin ein Versager. Und sie... sie ist doch so unschuldig. Sie kann doch nichts dafür, dass ich kein richtiger Mann bin, der seine Frau richtig beschützen kann.“ stammelte Brahve.
Dass Brahve von Kristin als seiner Frau sprach, schob Qhuinn darauf, dass er völlig durcheinander war, nach allem was passiert war völlig neben sich stand, aber ihm entging durchaus nicht, wie Brahve mit Kristin umging, mit welcher Verzweiflung er sie ansah und konnte daraus lesen, dass diese Frau ihm nicht egal war. „Wir sind gleich da. Und Jane wird wissen, was sie zu tun hat.“ sagte er jetzt nur noch, in der Hoffnung, das würde Brahve beruhigen. Ihm alles andere ausreden zu wollen, hatte jetzt keinen Sinn und würde auch sehr schwer werden, bei der Tiefe in der Brahve sich schuldig zu fühlen glaubte.
Ein paar Minuten später hielt Blay das Auto im Hof des Anwesens an. Qhuinn und er ignorierten das Knurren von Brahve komplett, als sie Kristin aus dem Auto hoben und mit ihr durch den Gang das Haus betraten, der ins Trainingszentrum führte.

Brahve blieb nichts anderes übrig als ihnen zu folgen. Mittlerweile schmerzte ihn jeder Schritt und er zog sein rechtes Bein hinter sich her aber um nichts in der Welt hätte er Kristin jetzt einfach alleine gelassen. Zu groß war die Angst, jeder Moment könnte der letzte sein, in dem er sie lebend gesehen hatte.
Durch das Trainingszentrum gelangten sie in die Krankenstation des Anwesen, wo wie versprochen bereits Vishous, Jane und Ehlena auf sie warteten.
Vishous reagierte sofort, als er sah, dass Blay und Qhuinn Kristin trugen und kam ihnen mit einer Trage entgegen, auf die sie die verletzte Frau legen konnten. Sofort brachten sie sie in einen der Behandlungsräume, wo Jane bereits damit begann, sie zu untersuchen.
Was ist mit dir?“ richtete Ehlena sich fragend an Brahve.
Nichts.“ Brahve schüttelte nur den Kopf, starrte mit weit geöffneten Augen auf das Behandlunsgzimmer, in dem Kristin reglos und voller Blut auf einer Liege lag.
Ehlena, ich brauch dich hier!“ ertönte auch schon Janes Stimme, ruhig aber sehr bestimmend und sofort folgte Ehlena dieser Anweisung.
Vishous sah kurz etwas betroffen in die Runde und schließlich blieb sein Blick auf Qhuinn und Blay hängen. „Holt einer von euch Rhage. Die Chance es ihm schonend beizubringen gibt es wohl nicht wirklich.“ sagte er ernst und verschwand dann um ebenfalls seiner Shellan helfend zur Seite zu stehen.
Qhuinn und Blay sahen sich kurz an, nicht sicher, wer von ihnen gehen sollte, um Rhage und Mary Bescheid zu sagen.
Ich geh schon.“ bot Blay sich an und beugte sich zu Qhuinn um ihm einen kurzen, gefühlvollen Kuss auf die Lippen zu geben. Ein Kuss, der nur deutlich Ausdruck dafür war, was für eine tiefe Bindung die beiden zueinander hatten. „Du hast Brahve besser im Griff, falls er ausrasten sollte.“ fügte er noch hinzu und machte sich dann auf den Weg ins Haupthaus.

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